Er habe sich entschlossen, zurückzutreten und werde diese Entscheidung umgehend dem König mitteilen, sagte Charles Michel. 19:40, es ist vorbei. Der Premierminister hatte dann doch das Handtuch geworfen.
Die Entscheidung an sich lag zwar schon seit Tagen in der Luft, der Zeitpunkt hat aber dann doch so manchen überrascht.
Noch drei Stunden zuvor hatte Charles Michel mit einer feurigen und in Teilen unerwarteten Rede noch einen letzten Versuch unternommen, das vermeintlich Unausweichliche doch noch abzuwenden.
Michel hatte noch einmal für seine Idee einer Minderheitsregierung plädiert - die würde sich eine Art Notprogramm geben, drei Prioritäten: Die Stärkung der Kaufkraft, die Innere Sicherheit und der Klimaschutz.
Besonders in diesen Bereichen gebe es Handlungsbedarf. Insgesamt brauche das Land aber eine handlungsfähige Regierung, unterstrich Michel immer wieder.
Da seine Koalition über keine Mehrheit verfügte, reichte der Premier insbesondere der linken Opposition demonstrativ die Hand - und das manchmal in fast erstaunlichem Maße. So sei er etwa bereit, über eine mögliche Senkung der Energiepreise zu diskutieren. Auch versprach er ein stärkeres Engagement in Sachen Klimaschutz.
Am Ende war es ein regelrechter Katalog von Angeboten an die Adresse der Opposition. Sozialisten und Grüne empfanden das aber insgesamt als zu vage. Auch nahm man dem Premier seinen plötzlichen Sinneswandel offenbar nicht wirklich ab.
Während einer zweistündigen Unterbrechung der Sitzung platzte plötzlich die Meldung herein, dass die flämischen und die frankophonen Sozialisten nun doch einen Misstrauensantrag stellen wollen. Die Grünen unterstützen den Schritt.
Gleich nach der Wiederaufnahme der Sitzung, noch bevor der Antrag hinterlegt werden konnte, bat Premierminister Michel um das Wort und verkündete seine Rücktrittsentscheidung. Der Vorhang war gefallen.
Die neue Entwicklung läuft nicht zwingend auf vorgezogene Neuwahlen hinaus. Beobachter gehen davon aus, dass eine geschäftsführende Regierung die Zeit bis zu den ohnehin angesetzten Wahlen am 26. Mai überbrücken könnte. Eine solche geschäftsführende Regierung verfügt allerdings nur über einen sehr begrenzten Handlungsspielraum.
Roger Pint