Die Gelbwesten lassen sich aber dadurch nicht beirren. Auch am Montag haben sie ihre Aktionen fortgesetzt. Am Freitag oder Samstag wollen sie eine große Kundgebung in Brüssel organisieren. Inzwischen kommt aber auch die politische Debatte in Gang, also über die Frage, wie man denn auf die Sorgen der Menschen reagieren soll.
Krawall in Charleroi
Charleroi Sonntagabend: Die Gelbwesten sind wieder da, setzen ihre Proteste fort, die sich insbesondere gegen die hohen Kraftstoffpreise richten. Wieder haben die Demonstranten eine Filterblockade errichtet, lassen die Autos und Lastwagen nur tröpfchenweise durch. Wir wollen die Verkehrsteilnehmer sensibilisieren, sagt einer der Aktivisten.
"Wir sind keine Krawallmacher, wir sind Pazifisten, wollen nichts zerstören", sagt der junge Mann und distanziert sich damit noch einmal ausdrücklich von dem, was an den drei vorherigen Tagen in Charleroi passiert war. Bürgerkriegsähnliche Szenen, Stadtguerilla, in Charleroi sind zeitweise die Fetzen geflogen.
Bürgermeister Paul Magnette reagierte empört, war aber zugleich darauf bedacht, nicht alle in einen Sack zu stecken. Eigentlich habe es sich doch um eine friedliche Demo gehandelt. Die Sorgen und Anliegen der Gelbwesten seien im Übrigen verständlich und nachvollziehbar. In jedem Fall hätten sie das Recht, sich Gehör zu verschaffen. Nur sei die Bewegung leider von rund 100 Randalierern unterwandert worden, so Magnette.
Bei besagten Randalierern handelte es sich offensichtlich in vielen Fällen um polizeibekannte Kleinkriminelle, die nur nach Charleroi gekommen waren, um Rabatz zu machen. Die haben also die Gelbwesten-Bewegung für einen Moment lang regelrecht gekapert.
Hier hat sich gezeigt, dass die Stärke der Gelbwesten zugleich ihre Schwäche ist. Die Bewegung verfügt über keine wirkliche Struktur. Es ist, wenn man es salopp formulieren will, ein loser Haufen von Gleichgesinnten, die sich nach Aufrufen in Sozialen Netzwerken zu Protesten versammeln.
Das macht die Bewegung schwer greifbar. Nur öffnet das zugleich Tür und Tor für gewaltbereite Extremisten, die sich problemlos unter die Gelbwesten mischen können. Wohl auch deswegen sorgt die Bewegung für ein gewisses Unbehagen bei Sicherheitsverantwortlichen.
Kundgebung in Brüssel geplant
Es ist so: Die Gelbwesten planen für Freitag eine Kundgebung in Brüssel. Die Stadtverantwortlichen befürchteten aber offensichtlich Krawalle und wollten die Demo deswegen zunächst nicht gleich wo genehmigen. Die Gelbwesten wollten sich ihrerseits nicht mit einem Parcours abspeisen lassen, der ihnen keine wirkliche Sichtbarkeit garantieren würde. "Notfalls kommen wir nach Brüssel ohne die nötigen Genehmigungen", drohte schon Gary Ducran, einer der Verhandlungsführer, in der RTBF.
Am Ende gab's dann doch eine Einigung. Demnach wird die Kundgebung unter anderem durch das Europaviertel ziehen dürfen. Das hätte er nicht gedacht, räumte Ducran ein und dankt der Polizei.
Die Aktivisten sind jedenfalls mehr denn je entschlossen, ihre Proteste durchzuziehen, und zwar bis die Regierung auf die Forderungen eingeht.
"Cliquet"-System
Unterstützung bekommen sie da von der roten Opposition. Im Zentrum steht hier das sogenannte "Cliquet"-System, wie es auf Französisch und auch auf Flämisch heißt. Übersetzen könnte man das mit "Rücklaufsperre". Demnach ist es so: Wenn die Dieselpreise an den Weltmärkten günstiger werden, dann werden automatisch die Akzisen erhöht. Damit wird dafür gesorgt, dass Diesel eigentlich nicht mehr billiger werden kann. Diese Rücklaufsperre gehört abgeschafft, forderte in der VRT die SP.A-Abgeordnete Meryame Kitir.
Die Forderung sei doch aus der Luft gegriffen, reagierte aber der föderale Finanzminister Johan Van Overtveldt. Besagtes Cliquet-System sei zuletzt im Juli angewandt worden. Das werde in diesem und im kommenden Jahr nicht mehr passieren, da die Angleichung der Akzisen auf Benzin und Diesel erreicht sei.
Die Regierung begründet das mit umweltpolitischen Argumenten: Diesel sorgt eben für erhöhte Schadstoffbelastung vor allem in den Ballungsräumen. Und im Übrigen sei es so, dass diese Regierung viel für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen getan habe, sagt Van Overtveldt. Die Kaufkraft habe sich verbessert, sagte auch MR-Chef Olivier Chastel in Le Soir. Das hört sich erstmal nicht so an, als sei die Regierung bereit, auf die Forderungen der Gelbwesten einzugehen.
Roger Pint