Tag zwei des Staatsbesuches von Macron - oder besser gesagt: der Macrons. Denn natürlich ist Emmanuel in Begleitung seiner Frau Brigitte zu Gast in Belgien. Nachdem das Präsidentenpaar den gestrigen Tag bei einem Festbankett im königlichen Schloss in Laeken hatten ausklingen lassen, stand am Dienstagvormittag ein Besuch in Molenbeek an.
Die Idee dazu hatte König Philippe gehabt, wohl mit Hintergedanken. Molenbeek gilt seit den Anschlägen von Paris in den Augen vieler Franzosen als die Hochburg der Islamisten in Europa. Die Attentäter der Anschläge von Paris hatten ihre Taten zum Teil ja in Molenbeek geplant und waren teilweise in dieser Gemeinde groß geworden.
Das Projekt "La Vallée" hatte der König als Austauschort mit den Bewohnern von Molenbeek ausgesucht. Eine ehemalige Wäscherei, die jetzt ein Ort für soziale, kulturelle und wirtschaftliche Aktivitäten der Menschen in Molenbeek ist. Macron gab sich beeindruckt und begeistert. "Das war großartig. Es war faszinierend, diese Energie, diese soziale, kulturelle Innovation zu sehen. Bei Innovation denkt man oft an Technologie. Dazu haben wir gestern einige Beispiele gesehen. Aber hier haben wir eine soziale, kulturelle, ja ich würde sogar sagen moralische Innovation gesehen", sagte Macron nach dem Besuch beim Hinausgehen.
Und dann dankte er auch noch einmal dem König für dessen Entscheidung, ihn genau hier nach Molenbeek eingeladen zu haben. Das habe sein Bild von Molenbeek geändert. "Ich bin sehr froh über diese Einladung. Und noch einmal ein großes Dankeschön an Sie, Majestät, für diese Einladung. Ich bin froh, dass ich hier sein konnte, diese Sachen kennenlernen konnte, die sehr inspirierend sind und dass ich die Arbeit, die hier gemacht wird, würdigen und mir ein besseres Bild von Molenbeek machen konnte", sagte Macron.
Für Aufsehen sorgte dann noch Brigitte Macron. Als die Première Dame sich etwas eilig auf den Weg zu ihrem nächsten Termin machen wollte, konnte ein Reporter sie noch fragen, wie es ihr in Molenbeek gefallen habe. Die Antwort kam von weitem und im Laufen: "Ich werde wieder mal nach Molenbeek kommen. Das verspreche ich", sagte Brigitte Macron. Zusammen mit Königin Mathilde besuchte Brigitte Macron dann ein Behindertenheim in Haut-Ittre südlich von Brüssel.
Ein paar Kilometer weiter östlich stellte sich ihr Mann Emmanuel zeitgleich zusammen mit Premierminister Charles Michel den Fragen von Studenten in der Universität von Neu-Löwen. Auch hier zeigte sich Macron wieder von seiner Schokoladenseite. "Erlauben Sie mir zunächst, mich zu bedanken für die Möglichkeit, mich ganz ungezwungen mit Ihnen austauschen zu können", sagte er zu Beginn. "Ich möchte mich auch beim Premierminister bedanken und bei Ihnen für Ihren Empfang, und dass Sie hier sind. Ich bin immer sehr froh, wenn ich frei und offen über Europa sprechen kann."
Über Europa sprach Macron genauso mit den Studenten wie über Wirtschaft, den Klimawandel, Universitätspolitik und anderes. Dabei sprachen Macron und Michel sich erneut für ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten aus. Macron forderte eine radikal neue Arbeitsweise in Europa. Es dürfe nicht sein, dass wenige Staaten alles blockieren können. Das gelte beispielsweise für Klimafragen oder auch für den Migrationspakt.
Auch kritische Fragen musste sich der Präsident anhören. Und auch mit einem Störenfried zurechtkommen. Auf den Macron aber in seiner bekannten, spontanen und etwas paternalistischen Art reagierte. An den Rufer im Saal gewandt sagte Macron: "Jetzt sagen sie gerade Blödsinn. Ich habe nur gesagt… Wir wollen hier doch diskutieren. Wenn Sie mir erlauben, antworte ich zunächst ihrem Kollegen, dann können Sie Ihre Frage stellen und ich werde antworten. Und werfen Sie nicht überall Papier hin. Irgendjemand wird das aufheben müssen, und das werden nicht Sie sein."
Draußen vor dem Saal demonstrierten rund hundert weitere Studenten gegen Macron. Auf Bannern nannten sie den französischen Präsidenten einen "Lügner". Zuvor hatten sie die Straße vor der Aula Magna mit falschem Blut beschmiert. So wollten sie ausdrücken, dass Michel und Macron in ihren Augen "Blut an den Händen" tragen. Aber alles in allem hielten sich diese Proteste in Grenzen. Der Besuch ging friedlich zu Ende.
Schon am Sonntag wird Macron wieder in Belgien sein. Dann für einen EU-Sondergipfel zum Thema Brexit.
belga/dop/kw