"Michel ist bereit für die Krise mit der N-VA", titelt die Zeitung Le Soir am Dienstag und bringt den Konflikt damit gut auf den Punkt. Denn am Montag verschärften beide Hauptakteure im belgischen Streit um den Migrationspakt noch einmal ihre Positionen.
Die N-VA kam im ihrem wöchentlichen Parteibüro zusammen. Als das zu Ende war, war klar: Das Nein zum Migrationspakt bleibt. Auch eine Zusatzerklärung, die strittige Punkte klarstellen könnte, lehnten die N-VA-Entscheider ab. Die Öffentlichkeit wurde durch eine schriftliche Stellungnahme informiert. Gegenüber der Presse wollte sich keiner der N-VA-Größen am Montag äußern.
Am Dienstagmorgen lockerte sich diese Front des Schweigens. Innenminister Jan Jambon erklärte im Radio der VRT, warum seine Partei so vehement gegen den Pakt ist: "Da stehen Sachen in dem Text, die inhaltlich das Gegenteil von dem sind, wie wir Migrationspolitik sehen. Deshalb ist es für uns problematisch, diesen Text anzunehmen." Das gleiche steht auch in der N-VA-Mitteilung von Montag drin.
Michel: Pakt wird unterschrieben
Als Charles Michel diese Neuigkeit aus dem Lager der N-VA erfuhr, soll er sehr aufgebracht reagiert haben. So berichtet es am Dienstag Le Soir mit Berufung auf das Umfeld von Michel. "Der Pakt wird unterschrieben", soll Michel gesagt haben. Er habe das am 27. September vor der UN-Vollversammlung so angekündigt. So werde es auch geschehen. Das einmal gegebene Wort von Belgien werde gehalten. Zur Not auch gegen den Willen der N-VA. Starker Tobak also.
Gegenüber der Presse hielt sich aber auch der Premierminister bedeckt. "Sehen Sie, ich habe eine Antwort zu dem Ganzen im Parlament gegeben. Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen. Das werden wir im Ministerrat am runden Tisch besprechen", sagte er am Montag lediglich.
Dass Gesprächsbedarf besteht, sieht auch Jambon so. Und sieht sogar Chancen, dass die Gespräche gute Ergebnisse bringen könnten - für seine N-VA natürlich. "Ich rechne damit, dass wir uns auf eine Art der Migration einigen können, die wir als Partei unterstützen können. Darum soll es in den Gesprächen gehen", sagte Jambon.
N-VA isoliert
In der Regierungskoalition steht die N-VA übrigens isoliert da. Open VLD und CD&V wollen wie die MR den Migrationspakt unterzeichnet sehen. Für die Haltung der N-VA hat Vizepremier Alexander De Croo von der OpenVLD kaum Verständnis. Im September, als Michel die Unterzeichnung des Pakts vor der UN-Vollversammlung angekündigt hatte, da standen noch alle Regierungsparteien hinter dem Pakt, erklärt De Croo. "Seit September hat sich nichts verändert. Der Text ist immer noch der gleiche, und die Parteien, die in der Regierung sitzen, sind immer noch dieselben. Das einzige, das sich geändert hat, ist, dass die extreme Rechte in ganz Europa die Sache versucht, zu torpedieren. Nur das hat sich geändert."
De Croo meint, dass die N-VA vom Vlaams Belang getrieben werde, jetzt eine harte Position gegen den Migrationspakt einzunehmen. Hoffnung auf eine Einigung innerhalb der Koalition sieht er durchaus. "Ich hoffe, dass sich die Gemüter bei allen wieder beruhigen. Und dass es wieder um den Text geht. Und dass keiner sich mehr aufstacheln lässt von der extremen Rechten wegen Dingen, die gar nicht im Text stehen.", sagt De Croo.
Kay Wagner
Fast täglich bekunden neue Länder, dem Pakt, zumindest in der jetzigen Form, nicht beitreten zu wollen. Das sollte zum Nachdenken anregen.
Wenn er wirklich unverbindlich ist, muss er auch nicht auf Biegen und Brechen im Dezember durchgepeitscht werden.
Desweiteren sollten Entscheidungen in dieser Dimension vielleicht auch einmal demokratisch gehandhabt und den Bürgern mehr Informationen und Diskussionsmöglichkeiten angeboten werden.
Der Plan, diesen Pakt still und heimlich an denen vorbei, die für die Folgen über die nächsten Generationen hinweg herhalten müssen, durchzuwinken, hat mit Demokratie nicht das geringste zu tun.
Hier zeigt sich wieder einmal die grenzenlose Arroganz der selbsternannten Eliten.
Herr Decker: Demokratisch? Also etwa durch Volksherrschaft? Möglicherweise auch noch durch das Teufelswerk der direkten Demokratie? Nein, das wird nicht geschehen! "Wir" wissen eben besser, was für "euch" gut ist...
Zudem wäre es nicht wünschenswert, wenn ausgerechnet an dieser Sache die Föderalregierung zerbrechen würde.