Es war schon dunkel am Dienstagabend, als Schienennetzbetreiber Infrabel eine ganze Reihe von Medienvertretern an eine Bahnstrecke in der Nähe von Charleroi geladen hatte. Neben den Journalisten waren auch Bahnpolizisten, Mitarbeiter von Infrabel selbst und ein Gerät da, das im Mittelpunkt des Interesses stand: eine Drohne.
15 Kilo schwer, Spannweite von 3,30 Meter und eine Flugdauer von gut eineinhalb Stunden - also nicht das Gerät, das man sich zum Freizeitvergnügen mal eben im Elektrogeschäft nebenan besorgt.
Ausgestattet mit zwei Kameras erhob sich die Drohne dann in den nächtlich schwarzen Himmel, zu einem Testflug. "Wir wollen mit diesen Testflügen schauen, ob es möglich ist, Drohnen als Waffen gegen Kabeldiebe einzusetzen", erklärt Thomas Baeken, Sprecher von Infrabel. "In der letzten Zeit hat es eine deutliche Zunahme der Kabeldiebstähle gegeben. Und wir hoffen, mit Hilfe der Drohnen den Kampf gegen diese Diebe zu gewinnen."
Das Problem der Diebstähle erscheint tatsächlich dringend. Seit Juni ist ihre Zahl drastisch gestiegen. Allein im Oktober wurden 83 Diebstähle festgestellt. Besonders häufig kommen sie zurzeit im Raum Lüttich und auf der Strecke Namur-Gembloux vor. Durch die Sperrung der Strecken, die von den Diebstählen betroffen waren, kam es im Oktober zu insgesamt gut 300 Stunden Verspätung bei den Zügen.
Und auch finanziell beklagt Infrabel einen hohen Schaden. "Der Schaden, der uns durch Kabeldiebstähle in diesem Jahr bislang zugefügt wurde, also zwischen Januar und Ende Oktober, beziffert sich auf mehr als drei Millionen Euro", sagt Sprecher Baeken.
Die Drohne von Infrabel macht - wie viele Freizeitdrohnen auch - Bilder bei ihrem Flug. Eine Infrarot-Kamera durchdringt dabei das Dunkel der Nacht und lässt die Umgebung sichtbar werden. Dank einer Wärmekamera können die Flugbeobachter vor ihren Computern am Boden lebende Wesen gut erkennen. Und genau solche Bilder werden benötigt. "Dank Infrarot-Kameras können die Drohnen den Verdächtigen folgen und uns signalisieren, wo die sich gerade befinden. Damit helfen sie uns, die Diebe festnehmen zu können", erklärt Jean-Pierre Pistral von der Bahnpolizei.
Die Festnahme der Kabeldiebe ist das obergeordnete Ziel, das mit der Drohne erreicht werden soll. Denn die bisherigen Mittel reichen dazu nicht aus. Und alle anderen Alternativen zur Drohne wie zum Beispiel die Installation von Überwachungskameras entlang des gesamten Schienennetzes, die Aufstockung des Personals bei der Bahnpolizei oder der Ersatz der Kupferkabel durch Aluminium wurden alle als nicht praktikabel verworfen. Zumal in Frankreich schon gute Erfahrungen mit der Überwachung des Schienennetzes durch Drohnen gemacht werden.
Einziges Problem in Belgien: Die Gesetzgebung erlaubt den Einsatz der Drohnen nicht. Drohnen dürfen zurzeit nur in Sichtweite eines am Boden stehenden Piloten fliegen. Außerdem ist der Einsatz von beweglichen Überwachungskameras im öffentlichen Raum gesetzlich sehr begrenzt. Ausnahmen gibt es, zum Beispiel für Polizei, Armee und Zoll.
Infrabel will jetzt auch eine Ausnahme bekommen - oder eine andere gesetzliche Möglichkeit, um die Überwachung des Schienennetzes per Drohne zu ermöglichen.
Kay Wagner