Ein Gericht in Antwerpen sollte am Montag entscheiden, ob der Untersuchungsrichter Joris Raskin wegen Befangenheit überhaupt geeignet sei, die Untersuchungen zu leiten. Das Urteil der Richter hört sich zunächst wie ein Rückschlag für die Untersuchungen an. Denn die Richter entschieden: Ja, Raskin ist befangen und muss von den Ermittlungen abgezogen werden.
Der Anwalt des Top-Schiedsrichters Bart Vertenten, Hans Rieder, hatte die Angelegenheit ans Tageslicht gebracht hat. Rieder hat herausgefunden, dass der Untersuchungsrichter Raskin auch mal für den Belgischen Fußballverband gearbeitet hat. Und das noch zu einer Zeit, als die Ermittlungen in dem Fußballskandal schon aufgenommen worden waren. Der Untersuchungsrichter Raskin hatte damals für die Lizenzabteilung des Belgischen Fußballverbands gearbeitet. Von der Lizenzabteilung werden auch die Schiedsrichter ernannt bzw. für die Wettbewerbe zugelassen, also auch Vertenten.
Dadurch entsteht eine Verbindung zwischen Raskin und Vertenten. Der Anwalt von Vertenten sagt jetzt: Es kann nicht sein, dass Raskin quasi als Mitglied des Fußballverbandes, der von Vertenten angeblich geschädigt sein soll und jetzt ein Interesse daran hat, die Dinge aufzuklären, jetzt als Ermittler in diesem Fall arbeitet.
Und da haben die Richter am Montag gesagt: Ja, da hat der Anwalt recht. Das ist nicht ganz sauber - und deshalb soll Raskin jetzt nicht mehr in dem Fall ermitteln.
Reaktionen
Von Anwalt Rieder gibt es schon eine Reaktion, die an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Er gibt sich natürlich zufrieden mit dem Urteil. Und meinte sogar, dass jetzt sein Mandant eigentlich auch freigelassen werden müsse. Der Schiedsrichter Vertenten sitzt ja zurzeit noch in Untersuchungshaft.
Von der Gegenseite ist bislang noch nichts zu hören gewesen.Es kann sein, dass sich die Staatsanwaltschaft die Begründung der Richter erst noch einmal genau anschaut und überlegt, ob sie eventuell in Berufung geht. Denn das Urteil von Montag kann noch einmal vor einem Kassationshof angefochten werden. Raskin könnte also weiter Untersuchungsrichter bleiben. Das kommt jetzt eben darauf an, ob die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das Urteil einlegt und ob der Kassationshof dann anders entscheidet als die Richter am Montag.
Konsequenzen
Die heutige Entscheidung wird sicher keine radikalen Konsequenzen mit sich bringen. Es ist ja nicht so, dass die Aufdeckung des Skandals nur an der Person des Untersuchungsrichters hängt. Spielen wir einfach mal den Fall durch: Die Staatsanwaltschaft akzeptiert das Urteil und zieht Raskin von den Ermittlungen ab. Dann muss ein neuer Untersuchungsrichter ernannt werden. Das kann einige Tage dauern. Aber dann geht alles so weiter, wie bisher - halt nur mit einem anderen Gesicht.
Die derzeit noch im Gefängnis sitzenden Verdächtigen werden weiter in Haft bleiben. Denn mit einer sofortigen Freilassung kann auch der Schiedsrichter Vertenten jetzt nicht rechnen. Die Vorwürfe gegen ihn und die anderen bleiben ja bestehen - ganz unabhängig von der Person des Untersuchungsrichters.
Wie es mit Vertenten und den andern Inhaftierten weitergeht, wird in drei Tagen entschieden. Der Termin steht schon seit langem und hat nichts mit dem heutigen Urteil zu tun.
Bei der VRT gibt es Kollegen, die vermuten, dass der Anwalt von Vertenten nach dem heutigen Richterspruch weiter machen könnte und alles in dem Skandal gerichtlich anzweifeln könnte - alle Vorwürfe, vor allem die gegen seinen Mandanten, weil diese Vorwürfe ja auch durch das Zutun von Raskin zustande gekommen seien. Das wäre dann doch eine radikale Entwicklung.
Bei der RTBF schließen die Kollegen so etwas aus. Für sie scheint klar: Gut, der Untersuchungsrichter wird jetzt ausgetauscht, aber die Vorwürfe bleiben bestehen: nämlich Korruption, kriminelle Machenschaften und Spielemanipulation. Das ist jetzt ein Etappensieg für den Anwalt von Vertenten - mehr wahrscheinlich aber auch nicht.
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