Diesmal wird nicht generell alles zur gleichen Zeit bestreikt bei der Post, sondern quasi strukturell jeden Tag ein anderer Unternehmensbereich.
Begonnen wird Dienstagabend ab 22 Uhr in den Sortierzentren. Den ganzen Mittwoch über soll dort dann auch nichts laufen. Donnerstag sind dann die Transporte dran, am Freitag wollen die Briefträger keine Post austragen. Am Montag bleiben die Schalter und Call-Center geschlossen und am Dienstag nächster Woche werden keine Päckchen verteilt. So die Pläne der Gewerkschaften.
Der Streik fällt nicht vom Himmel. Genauso wenig wie die Probleme, auf die die Gewerkschaften durch diesen Streik aufmerksam machen wollen. Kernpunkte sind: Zu wenig Personal, zu hoher Zeit- und dadurch zu hoher Arbeitsdruck. Und die Probleme erscheinen wie die bekannte Katze, die sich in den eigenen Schwanz beißt.
Denn da die Arbeitsbedingungen nicht unbedingt optimal sind, hat Bpost es schwer, genug Personal zu finden. Das führt zu Personalmangel und das wieder zu höherem Leistungsdruck für diejenigen, die bei Bpost beschäftigt sind. Also zu nicht wirklich angenehmen Arbeitsbedingungen. Der Teufelskreis ist geschlossen.
In gewisser Weise sieht die Unternehmensführung das ein. Schiebt die Probleme anscheinend aber auf die grundsätzliche Neuausrichtung der Post, die der Betrieb sich bis 2021 auf die Fahnen geschrieben hat. Das sei nämlich unausweichlich, sagte Bpost-Chef Koen Van Gerven schon vor einigen Tagen in der VRT: "Ich bin davon überzeugt, dass wir uns anpassen und Dinge anders machen müssen, als bisher. Wir transportieren heute immer weniger Briefe und immer mehr Pakete. Dafür braucht man eine andere Organisation der Arbeit."
Eine andere Organisation der Arbeit: Das wollen die Gewerkschaften auch. Aber eben anders, als die Unternehmensführung. Jacques Lespagnard, Post-Generalsekretär bei der sozialistischen CGSP, macht das am Beispiel des Routenplaners deutlich, den Bpost seit 2002 für seine Briefträger nutzt.
Das System heißt "Géoroute" und habe seit Anfang an nicht wirklich funktioniert, sagt Lespagnard: "Jedes Mal, wenn es eine Neustrukturierung gibt, gibt es auch eine neue Organisation von Géoroute. Was dann aber nicht funktioniert. Jedes Mal müssen wir dann neues Personal einstellen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was man mit diesem System erreichen will. Das System muss man endlich mal auswechseln."
Immerhin sind die Fronten zwischen Unternehmensführung und Gewerkschaften nicht so verhärtet, dass beide Seite nicht mehr miteinander reden. Dass das konstruktiver gehen könnte, das sagen beide Seiten auf ihrer Weise. Gewerkschafter Lespagnard beklagte am Montag nach dem fünfstündigen Austausch den mangelnden Willen der Unternehmensleitung, Verhandlungen über Verbesserungen wirklich beginnen zu wollen. Er sagte: "Gute Gespräche, ja, die gab es auf jeden Fall. Wir haben über ein paar Punkte sprechen können, die bei den Mitarbeitern von Bpost zurzeit für schlechte Stimmung sorgen. Aber wir haben keine wirklichen Verhandlungen begonnen. Deshalb halten wir an unseren Streikplänen fest."
Bpost-Chef Van Gerven seinerseits findet, dass die Unternehmensleitung den Gewerkschaften entgegenkommt, die Hand ausgestreckt habe für Gespräche. Die Gewerkschaften hätten diese Hand aber nicht angenommen. Darunter müssten bei dem Streik jetzt die Kunden und Bürger leiden. Was Van Gerven sehr bedauert.
Wie es nach dem Streik weitergehen soll, ist zurzeit offen. Neue Gespräche sind angeblich noch nicht geplant.
Die Zeitung De Tijd berichtet am Dienstag, dass es hinter den Kulissen bei Bpost um noch andere Dinge geht, als nur um die pure Neuausrichtung des Unternehmens. Bpost müsse auch jedes Jahr hohe Dividenden ausschütten, um dem belgischen Staat die Kassen zu füllen. Der hält noch 51 Prozent Anteile an Bpost. Das Geld der Dividenden fehlt dann, um damit für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen, dadurch das Arbeitsklima zu verbessern und letztlich attraktiver für Mitarbeiter zu werden.
Unter diesen Voraussetzungen ist davon auszugehen, dass der am Dienstagabend beginnende Streik bei Bpost sicher nicht der letzte sein wird.
Kai Wagner