Die Nachricht kam am Dienstagabend wie aus heiterem Himmel: Spanien setzt flämischen Botschafter vor die Tür. Was war da geschehen, was vorgefallen? Um Katalonien war es doch ruhig gewesen in den vergangenen Tagen. Zumindest hatte die Öffentlichkeit nichts davon mitbekommen, dass irgendwelche Äußerungen der N-VA oder anderer Flamen den Unmut der spanischen Regierung hätten wecken können.
Doch da hatte man wohl nicht mit den Spaniern gerechnet. Dort machten Medienberichte die Runde: Der flämische Parlamentspräsident Jan Peumans von der N-VA soll die Situation in Spanien bzw. Katalonien mit der Situation in Bosnien in den 90er Jahren verglichen haben, als es dort um Unabhängigkeitsbestrebungen mit vielen Repressionen ging.
Die Politik in Spanien reagierte sofort. Das sei das dritte Mal, dass Peumans Spanien mit unhaltbaren Äußerungen angreife, das dritte Mal, dass die spanische Regierung wegen Flandern mit dem belgischen Botschafter habe sprechen müssen, sagte der spanische Außenminister Josep Borell im spanischen Fernsehen. Jetzt seien die Konsequenzen halt schärfer.
Peumans: Vorwürfe aus der Luft gegriffen
In Flandern fällt man wegen der Vorwürfe aus allen Wolken - und wehrt sich. "Das, was man mir vorwirft, ist vollkommen aus der Luft gegriffen. Das ist auf keinen Fall wahr", sagte Peumans am Mittwoch gegenüber der VRT. Und Peumans fügt hinzu: "Ich glaube, dass einige spanische Medien da Dinge berichten, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Denn ich habe nichts über einen Vergleich zwischen Bosnien und Spanien gesagt."
Sehr wohl hatte Peumans - auch in seiner offiziellen Funktion als Präsident des flämischen Parlaments - die spanische Regierung schon früher offen für ihren Umgang mit den katalanischen Separatisten kritisiert. In einem Brief, den er an seine im Gefängnis sitzende katalanische Amtskollegin Carme Forcadell geschrieben hatte, greift Peumans den spanischen Staat scharf an. Das Einsperren von Politikern entspreche nicht den Werten der Europäischen Union.
Zu dieser Meinung steht Peumans weiterhin. Im flämischen Radio sagte er am Mittwochmorgen: "Man sperrt Politiker nicht ein. Das muss deutlich gesagt werden. Und wenn man vorgibt, in einem demokratischen Staat zu leben, dann macht man das bestimmt noch weniger."
Genau das gleiche hatte Peumans auch vergangene Woche erneut gesagt, als er im flämischen Parlament eine Ausstellung über die katalanische Unabhängigkeitsbewegung eröffnet hatte. Dabei soll er auch noch den Vergleich mit Bosnien gezogen haben - aus seiner Sicht ja völlig aus der Luft gegriffen. Das einzige, was er zu Bosnien mal gesagt habe, sei, dass das flämische Parlament zwei Lehrer unterstützt hätte, die ein Projekt in Bosnien auf die Beine gestellt hätten. Der Rest - reine Erfindung, so Peumans.
Rückendeckung von Bourgeois
Von Flanderns Ministerpräsidenten und N-VA-Parteifreund Geert Bourgeois bekommt Peumans Rückendeckung. Die Aberkennung des Diplomatenstaus des flämischen Botschafters in Spanien kommentiert Bourgeois mit den Worten: "Das ist eine unerhörte Sache, das hat es meines Wissens noch nie gegeben seit der Gründung der Europäischen Union. Das ist eine unerhörte Reaktion, die meines Erachtens auch übertrieben ist."
Und Bourgeois kündigte an: "Ich werde versuchen, mit dem spanischen Botschafter über diese Sache zu sprechen. Damit ich klarer sehen kann, was da vor sich geht."
Reynders verweigert Einberufung des spanischen Botschafters
Noch am Mittwochnachmittag machte Bourgeois dann Nägel mit Köpfen. Kurz nach 16 Uhr verkündete die Nachrichtenagentur Belga, dass Bourgeois Außenminister Didier Reynders dazu aufgefordert habe, den spanischen Botschafter im Königreich Belgien zu einem klärenden Gespräch einzuberufen.
Wie ein Sprecher der Nachrichtenagentur Belga mitteilte, hat Reynders die Einberufung des spanischen Botschafters aber verweigert. Das könnte zu Streit innerhalb der Föderalregierung führen.
Kay Wagner