"Eigen Volk eerst", skandieren die Vlaams Blok-Anhänger. Der 24. November 1991 - ein historischer Tag. Bei der Parlamentswahl schafft der rechtsextreme Vlaams Blok den Durchbruch: ein Plus von zehn Sitzen. Zwölf Blok-Abgeordnete schaffen es ins Parlament.
Dieser Schwarze Sonntag ist ein Schock. Der Vlaams Blok ist eine offen fremdenfeindliche, rassistische, faschistoide Partei. Und die hat eine kritische Größe erreicht, kann also zum Machtfaktor werden, könnte irgendwann vielleicht sogar auf irgendeiner Ebene eine Exekutivverantwortung übernehmen.
Für alle Demokraten war - und ist - das eine Schreckensvision. Jos Geysels, der damalige Vorsitzende von Agalev, dem Vorläufer der Grünen, wollte reagieren, diese Gefahr im Keim ersticken. Geysels griff die Idee eines Cordon sanitaire wieder auf. Die Initiative war zwei Jahre zuvor noch gescheitert. Diesmal unterstützten alle demokratischen Parteien im damaligen flämischen Rat (Parlament) eine Resolution, die in der Praxis darauf hinauslief, dass sich alle dazu verpflichteten, keine Koalition mit dem Blok einzugehen.
Geysels machte den Schritt damals an dem ominösen 70-Punkte-Plan des Vlaams Blok fest. Darin stehe schließlich, dass Menschen nicht gleich sind, also demzufolge ungleich behandelt werden müssten - etwa in puncto Unterricht oder auf dem Arbeitsmarkt. Das sei doch unerträglich.
Das war also die Geburtsstunde des "Cordon sanitaire". Unterstützt wurde diese Initiative von Anfang an auch von den Frankophonen, die das Konzept sogar noch ausweiteten. Im südlichen Landesteil bekommen Rechtsradikale demnach nicht einmal ein Forum, etwa in den öffentlich-rechtlichen Medien.
Belang wieder im Aufwind
Cordon sanitaire, der Vlaams Blok wurde also isoliert. Das hat ihn freilich nicht daran gehindert, in den darauffolgenden Jahren noch immer größer zu werden. Ihren Höhepunkt erreichte die Partei 2004: 25 Prozent, einer von vier Flamen. Danach musste die Partei umbenannt werden in Vlaams Belang. Wobei sich da nur der Name geändert hatte, nicht der Inhalt.
In den letzten Jahren fiel der Begriff Cordon sanitaire dann nicht mehr so oft. Das hatte damit zu tun, dass die rechtsextreme Partei ihre Erfolge einfach nicht mehr wiederholen konnte. Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass es Bart De Wevers N-VA war, die dem Belang die Wähler abgejagt hat.
Und eben die Haltung der N-VA erklärt wohl auch, warum der Belang plötzlich wieder Aufwind bekommt. 2014 war der Preis für eine Regierungsbeteiligung der N-VA, dass sie ihre gemeinschaftspolitische Agenda in den Kühlschrank verfrachtete - also eine neue Staatsreform. Viele flämische Hardliner mögen sich deshalb wieder von der N-VA abgewandt und dem Belang ihre Stimme gegeben haben.
Ninove bald unregierbar?
Bei den Kommunalwahlen am Sonntag jedenfalls haben sich die Rechtsextremisten wieder deutlich erholen können. In manchen Gemeinden sind sie sogar durch die Decke gegangen. Das gilt etwa für Ninove. Unter dem Namen Forza Ninove holte dort die Liste des Belang-Politikers Guy D'haeseleer 40 Prozent. 40 Prozent, das macht die Liste so gut wie unumgänglich.
Einen Moment lang hat die N-VA auch in Erwägung gezogen, eine Koalition mit der Liste einzugehen - bis ein Facebook-Post von diesem Guy D'haeseleer auftauchte, der zutiefst rassistisch ist. Und das Bild habe dafür gesorgt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Koalition mit Forza Ninove auf unter Null gesunken sei, sagte Bart De Wever. Im Übrigen gab es aber auch Fotos, die Anhänger von Forza Ninove zeigen, wie sie am vergangenen Sonntag den Hitlergruß zeigen.
Das Problem ist aber noch nicht gelöst - insofern, als die N-VA jetzt angekündigt hat, in Ninove in die Opposition zu gehen. Heißt: Eine Koalition ohne Forza Ninove ist damit unmöglich, heißt auch Ninove ist vielleicht bald unregierbar.
Vergleichbarer Fall in Grimbergen
Einen vergleichbaren Fall gibt es im Übrigen auch in Grimbergen. Dort hat die Liste Vernieuwing rund 22 Prozent geholt. Spitzenkandidat ist Bart Laeremans, ein ehemaliger Vlaams Belang-Politiker. Anscheinend sind aber auch noch aktive Vlaams-Belang-Leute auf der Liste. Trotzdem hatte die lokale OpenVLD schon eine Koalitionsvereinbarung mit der Liste unterschrieben.
Dafür gab es in der VRT einen Rüffel von der OpenVLD-Chefin Gwendolyn Rutten. Sie distanzierte sich von der Vereinbarung ihrer lokalen Vertreter und verwies auf die Parteisatzungen. Der Fall wird jetzt von der Parteizentrale geprüft. In beiden Fällen, in Ninove und in Grimbergen, hat der Cordon sanitaire also Risse bekommen. Und in Ninove ist es nach wie vor nicht sicher, dass er hält.
Roger Pint