"Was für ein Trümmerhaufen!", das ist nur eine von vielen fast verzweifelten Schlagzeilen am Freitag in den Zeitungen. In der Tat: Der belgische Fußball wankt.
Am Mittwoch waren insgesamt 33 Personen festgenommen und zum Verhör mitgenommen worden. Darunter viele bekannte Namen: aktive und ehemalige Clubmanager, Trainer, Spielervermittler und sogar Schiedsrichter. Die wurden allesamt verhört. Auf der Grundlage von deren Aussagen hat der zuständige Untersuchungsrichter dann entschieden, ob er Haftbefehl erlässt.
"Die" zuständigen Untersuchungsrichter, muss man allerdings sagen. Es war nämlich ein Wettlauf gegen die Zeit. Man darf Verdächtige nur 48 Stunden lang zwecks Verhör festhalten. Weil die Zeit knapp wurde, hat die zuständige Staatsanwaltschaft von Tongeren also Verstärkung anfragen müssen. Konkret: Kurzfristig wurden am Donnerstagabend zwei zusätzliche Untersuchungsrichter mobilisiert.
Haftbefehl
Das wiederum sorgte für hörbares Naserümpfen bei einer Reihe von Anwälten. So etwas habe er noch nie erlebt, sagte etwa Jean-Philippe Mayence, der den Spielervermittler Mogi Bayat vertritt. Da werden plötzlich Untersuchungsrichter angekarrt, die die Akte überhaupt nicht kennen. Und die sollen dann darüber entscheiden, ob der eine oder andere Verdächtige nun in U-Haft genommen wird oder nicht. Das sorge für Frust bei den Anwälten.
Der Mandant von Jean-Philippe Mayence muss jedenfalls im Gefängnis bleiben. Gemeint ist Mogi Bayat. Der ist eine der Schlüsselfiguren in dem Skandal. Man muss da unterscheiden: Hier geht es "nur" um den Aspekt Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Das unterstreicht auch der zweite Anwalt von Bayat, Tom Bauwens, als der am frühen Freitagmorgen bekanntgibt, dass Haftbefehl gegen Bayat erlassen wurde.
Spielmanipulation
"Es geht 'nur' um Geldwäsche", sagt Bauwens, als ob das nichts wäre. Er sagt das, um sich ausdrücklich von den anderen Verdachtsmomenten zu distanzieren. Die da lauten: Korruption und Spielmanipulation. Denn, das ist ja das zweite Kapitel in diesem Mega-Skandal. Es geht um den Abstiegskampf in der letzten Saison. Die Föderale Staatsanwaltschaft hat am Donnerstag offiziell präzisiert, was man genau untersucht: Zwei Spiele seien hier im Fokus, sagte Sprecherin Wenke Roggen: Einmal die Partie Antwerpen gegen Eupen am vorletzten Spieltag; und einmal das Spiel KV Mechelen gegen Waasland-Beveren am letzten Spieltag.
Das Spiel zwischen Antwerpen und Eupen hatte seinerzeit schon für Befremden gesorgt. In der Schlussphase bekam Antwerpen einen Elfmeter zugesprochen, der definitiv keiner war. Schiedsrichter war Bart Vertenten. Der Verdacht: Vertenten soll nicht ganz zufällig so spontan den Elfer gegeben haben.
KV Mechelen
Hier kommt die zweite Schlüsselfigur ins Spiel: Dejan Veljkovic. Der gebürtige Kroate ist ebenfalls Spielervermittler. Auch er soll im Übrigen, wie sein Kollege Mogi Bayat, Finanzkonstruktionen errichtet haben, die es erlaubten, Geld von Spielertransfers am Fiskus vorbeizuschleusen. Veljkovic hatte aber auch noch eine besondere Beziehung zum KV Mechelen. Er hatte einige Spieler dort platziert. Anscheinend wollte er dafür sorgen, dass der Verein nicht absteigt. Und deswegen soll er, zusammen mit Verantwortlichen des KV Mechelen versucht haben, nachzuhelfen. Indem man eben unter anderem Schiedsrichter kauft. Der erwähnte Bart Vertenten sitzt dafür jetzt in U-Haft. Im Raum steht zudem der Name Sébastien Delferière.
Die Zeitung L'Avenir hat sich ihre Meinung dazu schon gebildet: "Sie wollten dafür sorgen, dass die AS Eupen absteigt", schreibt das Blatt auf Seite eins. Zu sehen sind eben besagte Bart Vertenten und Dejan Veljkovic. Dieser Veljkovic gehörte zu den letzten Verdächtigen, gegen die am frühen Freitagmorgen Haftbefehl erlassen wurde. Seinem Mandaten würden einerseits Geldwäsche, andererseits aber eben auch Bestechung zur Last gelegt, sagte Anwalt Kris Luycks in der VRT.
Auch zwei Verantwortliche des KV Mechelen wurden in U-Haft genommen. Für den KV Mechelen kann das Ganze ein noch übleres Nachspiel haben. Denkbar ist ein Zwangsabstieg, vielleicht sogar der Ausschluss aus dem Verband, räumte Vorstandspräsident Johan Timmermans vor besorgten und wütenden Fans ein.
Ermittlungen wurden gegen insgesamt 19 Beschuldigte eingeleitet, neun davon sitzen im Gefängnis. Auch gegen den Trainer von Club Brügge, Yvan Leko, wird offiziell ermittelt. Er wurde aber bis auf Weiteres auf freien Fuß gesetzt.
Die AS Eupen stand nicht im Fokus der Ermittlungen und hatte sich bislang nicht zum Fußball-Skandal geäußert. Am BRF-Mikrofon bezog AS-Direktor Christoph Henkel am Freitag Stellung zum Fußball-Skandal.
Roger Pint