"Man kann jetzt nicht behaupten, dass die Lage schlimm ist" - beschwichtigende Worte Mittwochmorgen in der RTBF von Thierry Saegeman, dem für die Nuklearanlagen zuständigen Direktor bei Engie Electrabel.
Saegeman bezieht sich auf die neusten Meldungen über den Zustand des Betons im Reaktorblock Tihange 2. Im Fokus sind hier nach wie vor die ominösen Bunkeranlagen, von denen in den letzten Monaten häufiger die Rede war. Hier ist der Beton erodiert - harmlos ausgedrückt, wenn man sich die Fotos vor Augen führt, die am Dienstag im zuständigen Kammerausschuss rundgereicht wurden. Sie zeigen die gleiche Bunkeranlage im Block Doel 3. Und da rieselt der Beton förmlich von der Decke.
Aber das ist offensichtlich nicht alles. Im Block Tihange 2 hat man jetzt entdeckt, dass auch die Armierung des Betons fehlerhaft ist. Gemeint ist das Metallgitter, das den Beton verstärkt. Hier hat man Streben an Stellen gefunden, wo die nicht hingehören. Klassischer Konstruktionsfehler also. Das gleiche Problem gibt es auch schon im Block Tihange 3.
In der RTBF bestätigt Saegeman die Info. "Ja, wir haben in der Tat an einigen Stellen Probleme festgestellt, die mit der Armierung zusammenhängen", sagt der Electrabel-Verantwortliche. Die erste Diagnose gehe zurück auf den Monat August. Und jetzt müsse man weitere Untersuchungen vornehmen, um das Problem einzugrenzen.
Angesichts der Hiobsbotschaften der letzten Wochen stellt sich dann natürlich gleich eine bange Frage: Heißt das jetzt, dass auch Tihange 2 nun länger vom Netz bleiben muss, als gedacht? Noch länger? "Nein", antwortet entschieden Thierry Saegeman. Man habe von Anfang an alle Hypothesen mit einberechnet, als man den Termin für das Wiederhochfahren festgelegt habe. Und deswegen bleibe es bis auf Weiteres beim 1. Juni 2019.
"Und noch etwas", fügt der für die Nuklearanlagen zuständige Direktor dann noch einmal nachdrücklich hinzu. "Man muss sich immer vor Augen führen, worüber wir hier reden. Es geht um einen Bunker, der für den Notfall zur Verfügung stehen muss - also ein Gebäude im nicht-nuklearen Teil, in dem Rettungsgerät aufbewahrt wird."
Wenn die Bunker in einem so jämmerlichen Zustand sind, gilt das nicht auch für den Rest der Anlage? Nein, antwortet Saegeman ebenso nachdrücklich. Ursache sei hier ein ganz spezifisches Problem, das sich nur in diesen Bunkern stelle.
Im Grunde liefere Electrabel hier aber nochmal den Beweis, dass man das Thema Sicherheit sehr ernst nehme. Besagte Bunker werden nie genutzt. Dennoch: Die Regeln sind die Regeln. Im Zusammenspiel mit der Fank habe man beschlossen, die Gebäude zu reparieren. "Aber wir machen das bestimmt nicht aus Spaß an der Freude", unterstreicht Thierry Saegeman.
Thierry Saegeman will damit auch gewisse Spekulationen aus der Welt schaffen. Oft hört man, dass Electrabel die ganze Sache nur inszeniere, um dafür zu sorgen, dass der Strompreis steigt. "Völliger Blödsinn", sagt er sinngemäß. "Die Strompreise steigen schon seit gut einem Jahr. Hintergrund ist die Entwicklung auf den Weltmärkten, insbesondere beim Gas. Die drohenden Elektrizitätsengpässe haben damit nichts zu tun."
Die Probleme, die aufgrund des Ausfalls der Kernreaktoren entstehen, seien temporär, zeitlich befristet, und hätten deswegen auch keinerlei Auswirkungen auf den Strompreis, sagt Thierry Saegeman. Dennoch: Wäre das Ganze nicht vermeidbar gewesen? Hätte Electrabel nicht früher kommunizieren müssen? Hätte man gewisse Wartungsarbeiten nicht anders staffeln können?
Der Electrabel-Verantwortliche weist jede Schuld von sich. "Nicht vergessen", sagt Saegeman: "Wir haben es hier mit einem nicht unerheblichen industriellen Projekt zu tun. Arbeiten in drei Kraftwerksblöcken, die alle geplant und koordiniert werden wollen. Mit den Unwägbarkeiten, die damit verbunden sind. Man kann eben nicht alles vorhersehen."
Fank: Betonprobleme an belgischen Atommeilern lange unterschätzt
belga/vrt/est