2017 fiel die Zahl im flämischen Sekundarunterricht erstmals auf unter 70 000 - ein Allzeittief.
Wenn flämische Schüler schon in der Sekundarstufe Deutsch als Wahlfach verschmähen, dann sind sie wohl kaum gewillt Germanistik an der Universität zu studieren. Dr. Katja Lochtman, Professorin für deutsche Sprachwissenschaft an der VUB – der Freien Universität Brüssel - bedauert die Zahlen sehr: "Deutsch wird als schwierig betrachtet, was die Grammatik angeht. Deutsch ist nicht schön und nicht romantisch. Die Sprache hat eigentlich ein Image-Problem."
Deutschland ist fremd
Auch wenn Deutsch offizielle Landessprache in Belgien ist, ist unser Nachbarland Deutschland vielen Belgiern trotz allem fremd geblieben, erklärt Professorin Lochtman. Sie unterrichtet nicht nur flämische Studenten, sondern auch an der Brüsseler ULB – also der französischsprachigen Freien Universität Brüssel: "Im Vergleich zum Englischen wird Deutsch von Eltern und Schülern nicht als wichtig betrachtet, weil Englisch für sie eine internationale Sprache ist. Deutsch ist zwar die dritte Landessprache, wird aber oft vergessen. Und dann gibt es die Klischees über Deutschland, die immer noch vorherrschen. Deutsch ist Wurst, Bier, Sauerkraut und Lederhosen. Zudem denkt man noch an den Krieg, wo wir gerade ans Ende des 1. Weltkriegs gedenken."
Deutschland als Handelspartner
Deutschland ist der wichtigste Handelspartner Belgiens überhaupt. Deutschland steht auf Platz 1 als Abnehmer unserer Exportprodukte. Einen guten Überblick hat die Deutsch-Belgisch-Luxemburgische Handelskammer in Köln. Debelux-Köln-Geschäftsführer Marc Van Audekerke sagte dem BRF, es sei auf jeden Fall bedauerlich, wenn Deutsch als Fremdsprache an den Schulen und Universitäten immer unpopulärer wird.
Er stelle auch schon seit einiger Zeit fest, dass zwischen belgischen und deutschen Unternehmen im Tagesgeschäft immer häufiger auf Englisch korrespondiert wird. Und das liegt laut Van Audekerke auch daran, dass die Deutschen ihr Englisch in den letzten Jahren stetig verbessert haben.
Immer weniger Linguisten
Innerhalb von fünf Jahren ist die Zahl der Studenten im Bereich Linguistik und Literatur um mehr als 1.000 Studenten zurückgegangen. Alex Housen, Professor für Anglistik und Spracherwerb, bestätigte, dass der Rückgang nicht nur das Deutsche beeinflusst: Selbst bei seinen Englischkursen sind die Hörsäle weniger gefüllt als noch vor etwa zehn Jahren. Also selbst die populäre Sprache Englisch muss Federn lassen.
Für viele Experten sind Sprachkenntnisse aber von großer Bedeutung, da sie als wichtiges Gut in einer globalisierten Wirtschaft gesehen werden. Auch Professorin Katja Lochtman bestätigt das: "Es gab eine Studie aus der Schweiz, wo geschätzt wurde, dass Mehrsprachigkeit etwa zehn Prozent zur Wertschöpfung von Unternehmen beträgt. Eigentlich müsste man so eine Studie auch für Belgien machen, weil wir denken, dass nur Englischkenntnisse nicht ausreichen."
Und Kollege-Professor Housen spricht in dem Zusammenhang von einem Teufelskreis. Weniger Sprachenstudenten bedeutet weniger gute Sprachenlehrer. Und dadurch geht das Wissen und die Liebe für Sprachen noch stärker zurück. Historisch gesehen, sei Mehrsprachigkeit aber immer ein Trumpf Flanderns gewesen – gerade wirtschaftlich. Deshalb sei es wichtig, wieder die Werbetrommel für den Fremdsprachenunterricht zu schlagen.
Polen als Vorbild
Polen ist wie Belgien wirtschaftlich eng mit Deutschland vernetzt. Doch hier sieht die Sache anders aus. In keinem anderen Land der Welt lernen mehr Menschen Deutsch als in Polen. Insgesamt sind es 2,3 Millionen Deutschlernende, davon 2,1 Millionen an Schulen, zeigen Zahlen aus dem Auswärtiges Amt Deutschland aus dem Jahr 2015.
Manuel Zimmermann