"Heute Abend bitte nicht mehr, Chef", stand am Freitag auf Seite eins von De Standaard. Bei der Supermarktkette Lidl muss das der Mitarbeiter jetzt gar nicht mehr sagen: Da ist das jetzt einfach so. Lidl setzt das in die Tat um, was man das Recht auf Unerreichbarkeit nennt. Konkret: Außerhalb der Arbeitszeiten werden die Mitarbeiter ab jetzt nicht mehr mit E-Mails behelligt. Zwischen 18:00 und 7:00 Uhr keine elektronische Post mehr. Das gilt nicht nur für interne Kommunikation, sondern auch für E-Mails, die von außen kommen: Die Server stellen die erst während der Arbeitszeit zu.
Das Personal ist damit de facto unerreichbar. Und das sei genau in seinem Sinne, lobte auch Vizepremier und Arbeitsminister Kris Peeters in der VRT. Es gebe schließlich ein Gesetz, das vorsieht, dass Arbeitgeber und Personal zusammen darüber beraten, ob beziehungsweise wie man es den Mitarbeitern erlauben kann, buchstäblich digital abzuschalten. Also zu regeln, wie nach der Arbeitszeit mit E-Mails beziehungsweise SMS umgegangen werden soll.
Lidl geht mit gutem Beispiel voran, indem man das Personal jetzt quasi einfach entkoppelt und es damit in Ruhe lässt. In Frankreich ist das sogar ein Recht - das Recht auf Unerreichbarkeit, das Recht auf Abschalten. Dort gilt seit Anfang vergangenen Jahres ein Gesetz, dass den Mitarbeitern dieses Recht einräumt.
In Belgien muss der Arbeitgeber demgegenüber seinen Mitarbeitern nicht zwingend eine solche "digitale Pause" gewähren. Gesetzlich verpflichtet ist nur, dass man im Rahmen des Sozialen Dialogs darüber redet. Er könne aber nur hoffen, dass jetzt andere Unternehmen auf diesen Zug aufspringen, sagt Kris Peeters. Denn, nicht vergessen: Leute, die quasi rund um die Uhr erreichbar sein müssen, das sorge irgendwann für Probleme, Stichwort Burnout.
"Ja, aber wenn das so ist", hakt der Journalist nach, wenn man doch weiß, dass die ständige Erreichbarkeit zum Burnout führt, warum macht man es denn nicht wie in Frankreich und schreibt das Recht auf Abschalten in ein Gesetz? Er sei kein Freund von Zwangsmaßnahmen, erwidert Peeters. "Wir haben in Belgien den Sozialen Dialog, wir haben vernünftige Arbeitgeber und vernünftige Arbeitnehmervertretungen. Und die unterhalten erwachsene Beziehungen zueinander." Die Regierung baue eben darauf, dass man sich in den Unternehmen schon einigen wird. Und das Beispiel Lidl gebe ihm jetzt doch Recht, sagt Peeters.
Alles schön und gut, reagierte aber Myriam Delmée von der sozialistischen Gewerkschaft SETCA in der RTBF. Hier werde aber ein Problem eigentlich nur verschoben. Wenn die Mitarbeiter die Mails erst bei Dienstbeginn bekommen, dann läuft der elektronische Briefkasten morgens doch über. Entsprechend ist der Druck für die Mitarbeiter dann nur noch größer.
Und dass jetzt ausgerechnet Lidl vorpresche, das habe doch auch System, sagt Delmée. Nach den Protesten und den Streikaktionen von vor einigen Monaten wolle die Direktion wohl einfach nur das Image des Unternehmens noch mal ein bisschen aufpolieren. Die Richtung sei zwar die richtige, räumt die SETCA-Gewerkschafterin ein. Nur müsse man eine solche Maßnahme eben einrahmen. Man muss das so organisieren, dass die Mitarbeiter auch wirklich entlastet werden und nicht am nächsten Morgen einfach nur noch mehr Stress haben, als das ohnehin schon der Fall ist.
Das "Recht auf Unerreichbarkeit" kann also ein zweischneidiges Schwert sein, sagen die Gewerkschaften. Zwar ist es bestimmt richtig, wenn Mitarbeiter irgendwann auch mal abschalten können. Man muss dann aber dafür sorgen, dass sich die Arbeit gleichmäßiger verteilt. Das Beispiel zeigt wohl, wie schwierig es in der Praxis ist, sich auf die Wirtschaft 4.0 einzustellen.
Auslandsspenden über 3.000 Euro müssen registriert werden
Vereinigungen und Stiftungen müssen Auslandsspenden über 3.000 Euro künftig offenlegen. Dies steht in einem Gesetzentwurf, den die Regierung am Freitag verabschiedet hat. Die Maßnahme soll für mehr Transparenz und zur Vermeidung von Geldwäschepraktiken oder der Umwegfinanzierung zur Begünstigung von Terrorismus dienen.
Auf dem Programm des Ministerrates standen auch Beratungen über den sogenannten Job-Deal. Noch sind nicht alle Einzelheiten geklärt. Der Job-Deal umfasst einen Maßnahmenkatalog, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Dabei stehen auch die Berufszweige, in denen dringend Personal gesucht wird, stehen im Fokus.
Zu heftiger Kritik, besonders von den Gewerkschaften, hat die geplante Reform des Arbeitslosengelds geführt. Dieses soll in einer ersten Phase zwar angehoben werden. Wenn sich der Arbeitslose dann aber nicht aktiv um einen Job bemüht, nimmt das Arbeitslosengeld schneller ab als bisher.
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