Ein legislativer Fußabdruck ist laut Definition der öffentliche Nachweis des Einflusses, den Lobbyisten auf einen Gesetzestext ausgeübt haben. Man soll bei dem Gesetzestext also sehen, welche Ideen von welchem Lobbyisten, von welchem Interessenvertreter kommen.
Im Vorschlag der Deontologischen Kommission sieht das konkret dann so aus: Jeder Gesetzesvorschlag oder jeder Änderungsantrag in der Kammer soll am Ende einen Abschnitt mit dem Namen "Lobby-Paragraph" bekommen. In diesem Paragraph soll dann aufgelistet sein, mit welchen Lobbyisten die Abgeordneten gesprochen haben, bevor sie den Gesetzesvorschlag geschrieben haben.
Es soll klar gemacht werden, welche Ideen des Vorschlags von welchem Lobbyisten kommen. Und es soll auch deutlich gemacht werden, wenn Textpassagen des Gesetzesvorschlags von Lobbyisten formuliert worden sind oder aus Vorschlägen von Lobbyisten wörtlich oder fast wörtlich übernommen wurden.
Die erste Reaktion in der Kammer auf diesen Vorschlag fällt jedoch nicht sonderlich positiv aus. Die Einführung eines solchen legislativen Fußabdrucks ist in der Kammer schon einmal besprochen worden, nämlich in der sogenannten Kommission für Politische Erneuerung, die nach den Skandalen bei Publifin und Co vor etwa einem Jahr eingerichtet worden ist. In dieser Kommission hatten die Kammerabgeordneten die Idee des legislativen Fußabdrucks diskutiert - und abgelehnt.
In den Zeitungen De Standaard, Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen wird am Montag der ehemalige Vorsitzende dieser Kommission für Politische Erneuerung zitiert: der N-VA-Abgeordnete Brecht Vermeulen. Er persönlich sei kein Gegner dieser Maßnahme, sagt er, aber vor einem Jahr sei halt klar geworden, dass die Zeit bei der Mehrheit der Kammerabgeordneten noch nicht reif für die Einführung eines solchen legislativen Fußabdrucks sei. Es müssen, so Vermeulen, wohl erst noch mehrere Beispiele und Erfahrungen aus anderen Ländern geben, mehrere Vorbilder, wo das gut funktioniert, um auch in Belgien bei der Kammer so einen legislativen Fußabdruck einzuführen.
Nur gibt es diese Vorbilder nicht. Einer Liste von Transparency International zufolge, die vor rund zwei Jahren erstellt wurde, funktioniert der legislative Fußabdruck in keinem EU-Land wirklich. Nur in Lettland und erstaunlicherweise Polen ist er zwar per Gesetz vorgeschrieben, aber wird in der Praxis nicht umgesetzt. Ansätze, wie zum Beispiel die freiwillige Möglichkeit, so einen Fußabdruck zu liefern, bestehen in einer Reihe von Ländern wie zum Beispiel Zypern, Frankreich, Niederlande, Portugal und anderen.
Auch bei den EU-Einrichtungen selbst sind bislang alle Projekte gescheitert, den legislativen Fußabdruck verpflichtend bei der Gesetzgebung einzuführen. Auch bei der Kommission und dem Europaparlament gibt es bislang nur die Freiwilligkeit.
Wenn Belgien also auf gute Beispiele aus anderen Ländern warten möchte, kann es wohl noch lange warten. Es sei denn natürlich, dieser Aufruf der Deontologischen Kommission wird von mehreren Kammer-Abgeordneten als Weckruf gesehen, etwas zu tun.
Kay Wagner