Bei einer Verfolgungsjagd zwischen Menschenschleppern und der Polizei war die kleine Mawda am 17. Mai durch den Schuss eines Polizisten getötet worden. Außerdem wurde bekannt, dass die französische Polizei einen Sender an dem Kleinbus befestigt hatte, in dem die Familie von Mawda saß. Durch bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizei hätte das Drama vielleicht verhindern können.
Grund genug für die RTBF, am Mittwochmorgen die Anwältin der Eltern von Mawda, Selma Benkhelifa, zu einem Gespräch zu laden. Im Studio der Sendung "Matin Première" berichtet sie zunächst davon, wie es den Eltern von Mawda zurzeit geht. "Sie sind begeistert von der Hilfsbereitschaft der Menschen in Belgien. Sie werden von den Leuten sehr menschlich behandelt, sagt Selma Benkhelifa.
Diese Hilfsbereitschaft, die vor allem durch die Mitglieder der Bürgerplattform gelebt wird, die sich in Brüssel um die Anliegen der Migranten in der Hauptstadt kümmert, kontrastiere enorm mit der Hilfe, die die Eltern von Mawda seitens des Staates bekämen. Zwar habe kurz nach dem Tod von Mawda selbst Premierminister Charles Michel mit den Eltern gesprochen und ihnen versprochen, dass ein Recht auf Aufenthalt geprüft werde. Danach sei aber nichts mehr gekommen.
"Bislang haben sie noch keine Hilfe vom Staat bekommen", beklagt die Anwältin der Eltern. "Ihr Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung wird immer noch bearbeitet. Aber wir haben keine Informationen, in welchem Stadium sich das Verfahren zurzeit befindet."
In Belgien zu bleiben, dass sei mittlerweile der ausdrückliche Wunsch der Familie. Zwar war sie auf dem Weg nach Großbritannien, als sich das Verfolgungsdrama mit der Polizei ereignete. Aber der Wunsch, nach Großbritannien zu gelangen, sei jetzt nicht mehr vorhanden. Zunächst wolle die Familie in der Nähe des Grabes von Mawda sein. Das Mädchen liegt auf einem Friedhof in der Brüsseler Stadtgemeinde Evere begraben. Der vierjährige Bruder von Mawda habe angefangen, die französische Sprache zu lernen. Wenn es nach Mawdas Eltern ging, würden sie am liebsten in Brüssel bleiben.
Zur Festnahme des Fahrers des Flüchtlingsfahrzeugs sagt die Anwältin, dass es zu kurz gegriffen sei, ihn für den Tod von Mawda verantwortlich zu machen. Zwar sei es wahrscheinlich richtig, dass er eine Rolle im Menschenschmuggel gespielt habe. Aber geschossen habe letztlich ja ein Polizist, nicht der Fahrer.
Dass die Eltern von Mawda den Fahrer nach der Verfolgungsjagd damals nicht direkt identifiziert hätten, entschuldigt die Anwältin. Denn man müsse verstehen: Nach der Befragung durch die Polizei seien die Flüchtlinge ja wieder freigelassen worden, ohne jeglichen Schutz. Die Menschenschmuggler seien aber eine mafiöse Vereinigung. Rache bei Denunzierung sei quasi gewiss.
Dass jetzt herausgekommen ist, dass die französische Polizei einen Sender am Unglücksbus befestigt hatte, sei im Grunde die dramatischste Erkenntnis in dem Fall. Denn hätte die belgische Polizei davon früher gewusst, hätte das Drama schlicht und ergreifen verhindert werden können, so die Anwältin.
Die Frage, ob der Fall Mawda etwas an dem Umgang mit Flüchtlingen in Belgien geändert habe, verneint Anwältin Selma Benkhelifa vehement: "Die Flüchtlingspolitik in der Form, wie sie zurzeit betrieben wird, wird nicht im Geringsten in Frage gestellt", sagt sie. "Man jagt die Flüchtlinge, weil man - so der offizielle Diskurs - die Menschenschmuggler jagen will. Dabei versucht man aber nie, die Beweggründe der Flüchtlinge zu verstehen, warum die Menschen letztlich so verzweifelt sind, dass sie zu uns kommen."
Kay Wagner
So hart es klingen mag, auch die Eltern sind mitverantwortlich. Sie haben leichtfertig das Leben ihrer Tochter aufs Spiel gesetzt. Sie sind nicht besser wie jene, die ihre Kinder im Auto nicht anschnallen und dann verungluecken. Eigentlich muessten die Eltern fuer ihr Verhalten bestraft werden. Der Staat sollte hier nach Recht und Gesetz vorgehen und sich nicht durch oeffentlichen Druck und Emotionen leiten lassen.