Als Maßnahme im Kampf gegen den Terror war der Kanalplan beschlossen worden. Die Attentäter von Paris hatte ihren Anschlag in Brüsseler Gemeinden geplant. Molenbeek war wohl das Zentrum. Aber auch andere Problemgemeinden der Hauptstadtregion mit einer hohen Anzahl von Einwohnern mit Migrationshintergrund sollten dank des Kanalplans durchleuchtet werden. Wer wohnt wo? Stimmen die Angaben aus dem Bevölkerungsregister mit der Wirklichkeit überein? Eine Maßnahme, um es Terrorverdächtigen schwerer zu machen, einfach in der Anonymität untertauchen zu können.
Eine erste Bilanz vor gut einem Jahr für das Jahr 2016 fiel schon positiv aus. Jetzt hat Innenminister Jan Jambon die Statistiken für das vergangene Kalenderjahr preisgegeben. Jambons N-VA-Parteikollegen Brecht Vermeulen hatte darum in einer Kammer-Anfrage gebeten.
Ein paar dieser Zahlen veröffentlichen am Mittwoch die Schwesternzeitungen De Tijd und L'Echo. Und die Zahlen sind beeindruckend. Ganze 94.809 Wohnungen sind 2017 in den Kanalplan-Gemeinden von der Polizei kontrolliert worden. In gut 8.000 Fällen mussten die Beamten feststellen, dass die gemeldete Person nicht an der angegebenen Adresse wohnt.
Spitzenreiter Anderlecht
Johan Berckmans, Sprecher der Polizeizone Brüssel-West, erklärt, wie eine Untersuchung in einer Wohnung konkret aussieht. "Die Person ist anwesend. Der Polizist schaut, ob es eine Küche gibt, ein Bad, ob die Wohnung in einem ordentlichen Zustand ist. Wenn das der Fall ist, schreiben wir an die Gemeinde, dass alles in Ordnung ist", sagt er. "Aber gleichzeitig - und das ist auch Teil des Kanalplans - kontrollieren wir auch alle anderen Bewohner des gleichen Wohnblocks. Und dabei stellen wir manchmal fest, dass einige der dort gemeldeten Bewohner schon seit Jahren nicht mehr dort wohnen."
Am häufigsten mit gut 2.600 Fällen stellten die Polizisten das Fehlen der gemeldeten Personen in der Gemeinde Anderlecht fest. Das mag allerdings auch daran liegen, dass in Anderlecht am häufigsten kontrolliert wurde. Schaerbeek und Molenbeek folgen auf den Plätzen zwei und drei. In Schaerbeek waren 2.270 Menschen unauffindbar, in Molenbeek 810.
Polizeiverstärkung
Ein Jahr zuvor, in 2016, waren in Molenbeek bei Kontrollen bereits gut 1.100 Menschen nicht gefunden worden. Molenbeeks Bürgermeisterin, die MR-Politikerin Françoise Schepmans, war zu Beginn gegen den Kanalplan gewesen, gegen die Wohnungskontrolle durch föderale Polizisten. Die Erfolge der Maßnahme haben sie aber überzeugt. Den Kanalplan findet sie jetzt gut. Auch, weil die Gemeinde 50 zusätzliche Polizisten für die neuen Aufgaben zur Verfügung gestellt bekommen hat.
Auch die Gemeinde Schaerbeek hat zusätzliche Polizisten erhalten. Für Bürgermeister Bernard Clerfayt von Défi ist das aber kein Grund zum Jubel. "Wir haben in unserer Gemeinde 50 Personen, die als 'ausländische Terrorkämpfer' bezeichnet werden. Diese Menschen und ihre Aktivitäten regelmäßig zu überwachen, erfordert viel Arbeit. Wir haben 27 Polizisten als Verstärkung erhalten. Aber das reicht nicht, um die Arbeit zu erledigen, die von uns verlangt wird. Wir bräuchten mehr als 27 zusätzliche Polizisten. Der Netto-Effekt des Kanalplans ist also eine Verringerung unserer Kapazitäten."
Trotzdem scheint der Kanalplan einiges Gutes zu haben. Denn die Polizisten konnten bei ihren Kontrollen - quasi als Nebeneffekt - auch Missbrauchsfälle bei Sozialdienstleistungen und Verstöße gegen die Bauvorschriften feststellen.
Für Polizeisprecher Berckmans ist auch deshalb klar, dass der Kanalplan fortgesetzt werden sollte. "Ich glaube", sagt er, "dass das eine Aufgabe für jedes Jahr sein sollte. Es ist sehr wichtig zu wissen, wer wo wohnt. Und ich glaube, dass wir da einen guten Weg eingeschlagen haben. Der Prozess hört auch nicht auf. Jedes Jahr wechseln rund 15.000 Menschen die Wohnung. Deshalb muss man weiter die Augen offen halten, um zu sehen, was dabei passiert."
Kay Wagner