Ageas ist der Rechtsnachfolger der Fortis-Holding, die vor fast zehn Jahren wegen der Finanzkrise in eine Schieflage geraten war. Die frühere Fortis-Bank ging damals an die französische BNP-Paribas. Und seither konzentriert sich Ageas nur noch auf das Versicherungsgeschäft. In diesem Bereich ist Ageas in Belgien aber ganz dick im Geschäft. Im Bereich der Lebensversicherungen ist die Gesellschaft sogar Marktführer.
Vor einigen Tagen jetzt gab es tatsächlich Gerüchte über eine mögliche Übernahme: Die Presseagentur Bloomberg hatte unter Berufung auf informierte Kreise berichtet, dass das chinesische Konglomerat "Fosun" ein Auge auf Ageas geworfen habe. Fosun hält schon etwas mehr als drei Prozent an Ageas. Angeblich wollen die Chinesen aber womöglich die Kontrolle über Ageas übernehmen. Die Gerüchte wurden zwar in der Zwischenzeit dementiert, aber, wie heißt es so schön? Wo Rauch ist, da ist auch Feuer.
Die Meldungen haben die belgische Wirtschaftswelt dennoch aufgeschreckt. Vor einigen Monaten hat auch schon EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die EU-Staaten davor gewarnt, seine strategischen Interessen besser im Auge zu behalten. Im Moment stellt sich so ein bisschen überall in Europa die Frage, wie man mit chinesischen Beteiligungen umgehen soll. Man darf nämlich davon ausgehen, dass die Chinesen nicht ganz ohne Hintergedanken agieren.
Nicht vergessen: In China hat immer der Staat den Daumen drauf, bzw. dann die kommunistische Partei. Und in der Regel ist es so, dass sich hinter Investitionen im Ausland oft zwei mögliche Absichten verbergen. Entweder man will die Technologien in die Finger bekommen, über die man im Moment noch nicht verfügt. Das gilt zum Beispiel für den Autobauer Volvo, der ja in chinesische Hände übergegangen ist. Interessant war in dem Zusammenhang auch der Markenname, der ja weltweit bekannt ist. Oder man strebt die Kontrolle in einem strategisch wichtigen Unternehmen an, um politischen Einfluss zu gewinnen.
Genau diese beiden Optionen haben wir in der vergangenen Woche in Deutschland gesehen. Chinesische Investoren wollten nicht nur in das Kapital eines Stromnetzbetreibers einsteigen, sondern auch den Maschinenbauer Leifeld übernehmen. Und in beiden Fällen hat die deutsche Bundesregierung nein gesagt.
Belgien muss sich besser wappnen
Genau das geht in Belgien im Moment aber noch nicht. Deswegen haben jetzt Ökonomen und Wirtschaftsvertreter in den Zeitungen L'Echo und De Tijd am Wochenende einen Appell an die Regierung lanciert, dass sich Belgien endlich besser wappnen müsse. Belgien sei im Moment viel zu naiv, sagt unter anderem kein geringerer als Herman Daems, der Aufsichtsratsvorsitzende von BNP Paribas Fortis. "Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, welche wirtschaftlichen Aktivitäten wir weiter selbst kontrollieren wollen", wird Daems in L'Echo und De Tijd zitiert. Der Punkt ist aber in der Tat: Belgien fehlt es da an Werkzeugen.
Nun muss man sagen: Es hat mal einen solchen Fall gegeben. Vor ungefähr zwei Jahren hatte der chinesische Konzern State Grid versucht, beim flämischen Energieverteiler Eandis einen Fuß in die Türe zu bekommen. Damals hatte es auch schon einen Aufschrei gegeben. Das Geschäft kam am Ende nicht zustande, weil eine der beteiligten Städte den Deal gekippt hatte. Seither hat sich die flämische Regierung das Recht gegeben, ausländische Beteiligungen zu blockieren.
Das sei schonmal ein Anfang, sagen Experten in De Tijd. Insgesamt stehe Belgien aber immer noch ziemlich machtlos da. Andere Länder seien da schon viel weiter. Deutschland ist nur ein Beispiel. Und auch die EU-Kommission macht in letzter Zeit mächtig Druck und ermahnt die Mitgliedstaaten, sich besser zu wappnen.
Aufsichtsbehörde vonnöten
Das ist umso dringender, als zwischen China und den USA inzwischen ein ausgewachsener Handelskrieg droht. Das führt nämlich dazu, dass China seinen Blick in den letzten Monaten auf Europa verlagert hat. Ageas ist da nur ein Beispiel, wenn denn die Geschichte stimmt. Man muss wissen: Die chinesischen Betriebe sitzen auf viel zu viel Geld, das eben investiert werden muss. Wenn man das nicht mehr in den USA ausgeben kann, weil beide Länder sich in Handelsfragen nicht mehr grün sind, dann bleibt eben nur noch Europa, wenn man von den wirklichen Big-Playern spricht. Heißt: Da muss jetzt schnell was passieren.
Frage ist nur, wie denn eine solche Regulierung aussehen würde. In De Tijd und L'Echo warnen die Experten jedenfalls davor, keine chinesischen Investitionen mehr zuzulassen. Gerade die belgische Wirtschaft ist traditionell auf ausländische Investitionen angewiesen. Und noch etwas: Man müsse auch nicht hinter jeder chinesischen Investition gleich einen Masterplan vermuten. Die Leute wollen manchmal auch einfach nur Geschäfte machen.
Aber wir brauchen eine schlagkräftige Aufsichtsbehörde, sagen die Fachleute. Also einen Wachhund, der sich die Beteiligungen und auch die Konzerne, die dahinterstecken, genauestens anschaut. Und dann brauchen wir eben klare Kriterien, also eine Liste von Bereichen, die wir als strategisch einstufen und wo ausländische Investoren eben eine Bedrohung darstellen können. Aber das Ganze bitte schnell, sagen die Ökonomen.
Roger Pint