Am 21. Juli 2013 leistete König Philippe im Parlament den Eid auf die Verfassung. Viele hatten mit einem gewissen Unbehagen diesem Ereignis entgegengeblickt. Einige besonders kritische Stimmen hatten sogar geunkt, dass es nie stattfinden würde, dass dieser Prinz niemals seinem Vater nachfolgen würde.
Tatsächlich: Das Image des Kronprinzen Philippe, das war nicht das beste. Nicht nur, dass ihn viele für einen blaublütigen Einfaltspinsel hielten, Philippe galt zudem als geistiger Erbe seines Onkels, des vor fast genau 25 Jahren verstorbenen Königs Baudouin. Baudouin war dafür bekannt, mit seinen politischen Ansichten nicht hinterm Berg zu halten und auch seinen Einfluss auf die Regierung spielen zu lassen. Bestes Beispiel war seine Weigerung, das Gesetz gegenzuzeichnen, das die Liberalisierung der Abtreibung vorsah. Das hatte damals, 1990, eine schwere Staatskrise ausgelöst. Philippe hatte einige Male zu verstehen gegeben, dass auch er das Amt des Königs als ein politisches verstehe. Das hätte allerdings im 21. Jahrhundert nur schiefgehen können.
"Er kann es nicht", so lautete also ein oft gehörtes Urteil. Und genau das sei ungerecht gewesen, sagte Frans van Daele, der ehemalige Kabinettschef des Königs, später in seiner persönlichen Bilanz. Man habe den Menschen Philippe seinerzeit immer nur als schlechte Karikatur dargestellt. Es habe damals zum guten Ton gehört, die unbestrittenen Talente des Prinzen zu ignorieren. Nachdem Philippe dann den Thron bestiegen habe, hätten viele Bürger überrascht festgestellt, dass Philippe ganz anders war, als man ihn bis dahin immer dargestellt hatte.
"Anders". So kann man auch die erste Zeit nach dem Thronwechsel zusammenfassen. Man kann zwar nicht behaupten, dass es zwischen Albert und Philippe einen klaren "Bruch" gegeben hätte. Offensichtlich war aber, dass der neue König und seine Frau Mathilde die Monarchie ins 21. Jahrhundert führen wollten. Der Palast wurde quasi entstaubt. Angefangen damit, dass sich der König mit Leuten umgab, die sozusagen aus dem "echten" Leben kamen. Bestes Beispiel war die Personalie Frans van Daele, der auf eine lange und brillante Diplomatenkarriere zurückblickte und den Philippe zu seinem Kabinettschef machte. Der Palast veröffentlichte auch plötzlich Fotos, die das Privatleben der Königsfamilie zeigten - wohl arrangiert natürlich, aber immerhin. Und auch die persönlichen Seiten des Königs bekam die Öffentlichkeit zu sehen - zum Beispiel einen Philippe auf Wasserskiern.
Aus ostbelgischer Sicht war aber die sichtbarste, bzw. hörbarste Neuerung: eine ganze Rede auf Deutsch. Bei seinem Vorgänger waren es gerade mal ein, zwei Sätzchen. Wie dem auch sei: Selbst die kritischsten flämischen Hardliner müssen zugeben, dass Philippe bislang einen makellosen Parcours hingelegt hat.
Misston
Einziger Misston war ein besonders unglückliches Paparazzi-Foto. November 2015: Lockdown. In Belgien wird Terrorwarnstufe 4 ausgelöst; Brüssel wird fast zur Geisterstadt. Und dann taucht besagtes Foto auf, das Philippe im Kururlaub zeigt, im pfirsichfarbenen Morgenmantel einen Vitaminsaft schlürfend. Später hieß es, man habe dem König empfohlen, dort im Hotel zu bleiben, eben aus Sicherheitsgründen.
Auch seine erste politische Bewährungsprobe hat der König bravourös gemeistert. Es gibt einen Moment, in dem der König eine aktive Rolle bekommt, nämlich nach einer Parlamentswahl, bei der anschließenden Regierungsbildung. Dann übernimmt das Staatsoberhaupt die Initiative, und zwar ohne politisch gedeckt zu sein, erklärt auch Frans van Daele:
2014 war der König erstmals in dieser Rolle unterwegs. Die Regierungsbildung verlief seinerzeit mehr oder weniger geschmeidig. Alles gut!
Nur: Das kann sich sehr schnell ändern, sind sich alle Beobachter einig. In Belgien ist "nach der Krise" erfahrungsgemäß auch immer "vor der Krise". Der nächste gemeinschaftspolitische Clash kommt bestimmt. Und dann erst wartet die wirkliche Feuerprobe auf König Philippe.
Eine andere Rolle spielen der König aber vor allem auch die Königin derweil schon jetzt in Perfektion: Sie sind nah an den Menschen. Knapp 300 Termine, allein in Belgien. Und bei größeren Katastrophen dauert es nie lange, bis das Königspaar erscheint, um Beistand zu leisten und Trost zu spenden. In seinen Reden unterstreicht Philippe immer, wie sehr er Belgien auch als Chance betrachtet. Immer wiederkehrende Leitmotive: Reichtum aus Vielfalt, Einigkeit macht stark.
Roger Pint