MR-Fraktionschef David Clarinval lobte den Regierungsbeschluss in höchsten Tönen. Für die RTBF fasste er es in folgende Worte: "Wir als Mehrheitsparteien habe uns gestern darauf einigen können, dass Abtreibung künftig nicht mehr strafbar sein soll. Das ist ein schöner, historischer Schritt, denn Frauen, Laien und viele andere haben das seit langem gefordert."
Dass die Regierungsparteien eine Änderung des Abtreibungsgesetzes vorlegen, ist im Grunde nicht überraschend. Monatelang hatte sich der Rechtsausschuss in der Kammer mit einer Reform des heute gültigen Abtreibungsgesetzes beschäftigt. Viele Experten waren angehört worden. Tenor: Das Gesetz muss aus dem Strafgesetzbuch herausgeholt werden. Genau das will die Regierung jetzt tun.
Die Opposition schreit dennoch auf. Die Aufregung richtete sich dabei auf zwei Dinge: zum einen auf das Vorgehen der Regierung, zum anderen auf das, was in dem Gesetzestext drinstehen soll. Was das genau ist, wissen die Oppositionsparteien noch nicht. Denn der Text liegt noch nicht vor. Die Abgeordneten haben von ihm nur über die Medien erfahren, beklagten viele, auch Marco Van Hees von der PTB.
Alleingang der Regierung
Der Alleingang der Regierung sei nicht das, auf was man sich zuvor im Ausschuss geeinigt hatte, beklagte die SP.A-Abgeordnete Karin Jiroflée. Das Thema Abtreibung sei ein gesellschaftlich bedeutendes, moralisches Thema. Da habe man doch im breitmöglichsten Konsens eine Entscheidung herbeiführen wollen. Jetzt werde das alles wieder für Parteispielchen missbraucht. "Und ich verstehe nicht", so Jiroflée, "dass die beiden liberalen Parteien MR und OpenVLD bei diesem Spielchen mitspielen."
Denn wenn man glauben dürfte, was in der Presse über die Pläne der Regierung geschrieben steht, sei das nicht das, was viele liberale Politiker bislang gefordert hätten. Nämlich vor allem eine Verlängerung der Frist, in der eine Abtreibung möglich sein soll. Aktuell sind das zwölf Wochen.
Die Opposition schlägt in ihrem Vorschlag 18 Wochen vor. Dass die Regierung weiter an den zwölf Wochen festhalten wolle, ist unverständlich für Jiroflée. Denn damit würde Belgien weiterhin pro Jahr rund 500 Frauen dazu zwingen wollen, eine Abtreibung auf eigene Kosten in den Niederlanden zu machen. Das sei beschämend, sagte Jiroflée.
"Blendwerk"
Noch ein weiterer inhaltlicher Punkt der Regierungsvorschläge brachte die Opposition auf die Palme. Denn zwar soll das Abtreibungsgesetz aus dem Strafgesetzbuch genommen werden. Doch Strafen für die Nicht-Beachtung der Vorschriften zur Abtreibung soll es weiter geben. "Wenn es wahr ist, dass der Vorschlag der Regierungsparteien weiter an den Strafen festhält, die die gleichen sind wie heute im Strafgesetzbuch, dann ist das das größte Blendwerk dieser Regierungsparteien", wetterte Olivier Maingain von Défi.
Am MR-Fraktionschef Clarinval prallte all diese Kritik ab. Dass der Text jetzt noch nicht vorliege, sei den Prozeduren geschuldet: Ein neuer Gesetzesvorschlag müsse zunächst vom Plenum der Kammer zur Kenntnis genommen werden. Das könne schon am Donnerstag passieren. Danach könnten Kopien an alle Ausschussmitglieder gehen, und am kommenden Dienstag schon könne der Ausschuss dann über den Inhalt debattieren.
Kay Wagner