Dieser Minimaldienst soll dafür sorgen, dass trotz des Streiks Züge nach einem bestimmten Fahrplan fahren.
Im vergangenen Sommer wurde das Gesetz zum Minimaldienst bei der SNCB von der Föderalregierung beschlossen, ab März ist es gültig. Warum das Gesetz überhaupt gemacht worden ist, erklärt der föderale Verkehrsminister François Bellot in der RTBF wie folgt: „Bislang war es so, dass im Fall eines Streiks die Pendler morgens zum Bahnhof gehen mussten um zu schauen, ob ein Zug fährt oder nicht. Und selbst wenn ein Zug fuhr, wussten sie nicht, ob abends auch ein Zug wieder zurückfahren würde.“
Außer den Pendlern waren natürlich auch alle anderen Zugreisenden von dieser Unsicherheit betroffen. Mit der soll jetzt Schluss sein. Der Minimaldienst, der ab jetzt erstmals greifen soll, sieht vor, dass die Bahnreisenden schon vor dem Weg zum Bahnhof Sicherheit haben können, ob ein Zug fährt oder nicht.
Der Minister erklärt: „Das Gesetz schreibt vor, dass die Bahn-Mitarbeiter bis 72 Stunden vor dem angekündigten Streik mitteilen müssen, ob sie streiken wollen oder nicht. Und spätestens 24 Stunden vor Beginn des Streiks muss die SNCB den Fahrplan veröffentlichen, der dann am Streiktag gelten soll.“
Die Züge, die am Streiktag fahren, sollen von den SNCB-Mitarbeitern betrieben werden, die sich nicht am Streik beteiligen. Da die SNCB die Zahl dieser Mitarbeiter schon drei Tage im Voraus kennt, kann sie entsprechend einen Fahrplan für den Streiktag gestalten. Natürlich werden dann viel weniger Züge als sonst fahren. Aber für den ersten Streiktag jetzt zum Beispiel teilt die SNCB mit, dass die Kunden mit dem Einsatz von etwa jedem dritten Zug rechnen können.
Und tatsächlich kann man auch schon auf der Internetseite der SNCB oder über eine SNCB-App eine Fahrt am morgigen Freitag planen, mit den Uhrzeiten für Hin- und Rückfahrt. Sollte der Zug dann mehr als eine Stunde Verspätung haben oder doch ausfallen, kann der Bahnkunde eine Entschädigung fordern. Auch das gab die SNCB bekannt.
Für die sozialistische Bahngewerkschaft CGSP, die diesmal zum Streik aufgerufen hat, ist der Minimaldienst ein rotes Tuch. Präsident Michel Abdissi sagt: „Das Gesetz ist ein Angriff auf die Rechte der Arbeitnehmer. So ein Gesetz überhaupt zu beschließen, ist eine völlige Katastrophe.“
Das Streikrecht sei ein Grundrecht, so der CGSP-Mann. Deshalb würde die Gewerkschaft auch beim Verfassungsgericht gegen das Gesetz klagen. Dazu Anwältin Leïla Lahssaini: „Ziel ist es, das ganze Gesetz oder zumindest Teile davon zu Fall zu bringen. Das soll auf Grundlage der in der Verfassung festgelegten Werte und des internationalen Rechts geschehen. Denn das Streikrecht ist ein Grundrecht, das international auf europäischer Ebene anerkannt wird. Und auf dieser Grundlage wird sich das Verfassungsgericht zu unserer Klage äußern.“
Verkehrsminister Bellot lässt diese Klage kalt. Bislang kenne er noch kein Verfahren vor dem Verfassungsgericht, das eine Klage gegen das Gesetz erlaube. Und direkt an die Streikenden gewandt sagt er: „Okay, ihr streikt, das ist euer Recht. Aber diejenigen, die arbeiten wollen, muss man arbeiten lassen. Das ist ebenso ein Grundrecht, wie das Recht zu streiken.
Den Bahnreisenden wird der Hickhack zwischen Gewerkschaften und Regierung um den Minimaldienst egal sein. Für sie wird es ab Donnerstagabend 22:00 Uhr spannend sein zu sehen, wie gut oder schlecht der Not-Fahrplan der SNCB in der Praxis tatsächlich funktioniert.
Kay Wagner