Für die Arbeit in den Tiefen des Ärmelkanals muss sich freilich niemand mehr die Füße nass machen. Ein Tauchroboter macht heute die Drecksarbeit. Überwacht wird das Ganze aus einem Kontrollraum auf einem Schiff über Unterwasserkameras.
Hier wird ein Unterwasserkabel verlegt. Allerdings nicht irgendeins. Geballte Hochtechnologie ist es: 20 Zentimeter Durchmesser hat die Trasse, bestimmt ein Dutzend verschiedene Lagen. 44 Kilogramm wiegt das Kabel je Meter. Insgesamt sind es 140 Kilometer, um eine Hochspannungsverbindung zwischen Belgien und Großbritannien aufzubauen.
Doch muss man natürlich erstmal den Weg freimachen. Das Kabel soll ja möglichst nicht durch irgendwas am Meeresboden beschädigt werden. Die Auswahl ist da beträchtlich, von "natürlichen Hindernissen" bis hin zu Weltkriegsrelikten. Man denke nur an das Wrack eines deutschen U-Bootes aus dem Ersten Weltkrieg, das ja erst Kürzlich entdeckt wurde. Im schlimmsten Fall stößt man auf Minen oder Fliegerbomben. Allein für das Projekt Nemo-Link wurde ein gutes Dutzend Blindgänger sicherheitshalber zur Explosion gebracht.
Eben, um solche Gefahrenquellen aufzuspüren, gibt es unter anderem die Videoüberwachung. "Irgendwann haben wir aber ein seltsames Bild auf dem Monitor gesehen", sagte Sven Van Haelst vom flämischen Meeresinstitut in der VRT. "Man konnte erstmal nur ein Schaufelrad erkennen. Der Rest des Teils war von Schlick und Sand bedeckt."
Es war das Schaufelrad eines sogenannten Superchargers, also eines Turboladers bzw. Kompressors, mit dem Flugzeugmotoren ausgestattet waren. Schnell war klar, dass es sich wohl um einen Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg handeln musste.
"Fliegende Festung"
Doch was genau für ein Flugzeug? Die Alliierten hatten ja für den Bombenkrieg gegen Nazi-Deutschland verschiedene Typen eingesetzt. Zur Identifizierung der Maschine brauchte man irgendeine Seriennummer. "Und die haben wir glücklicherweise später dann auch entdeckt", sagt Sven Van Haelst.
Auf einem kleinen Plättchen, das man später bergen konnte, stand die ersehnte Nummer. Und dann gab es kein Zweifel mehr: Man hat das Wrack einer amerikanischen B-17 gefunden, einer "flying fortress", einer fliegenden Festung, wie der Bomber genannt wurde.
Die B-17 war der wohl bekannteste Bomber der amerikanischen Luftstreitkräfte im Zweiten Weltkrieg. Die Maschine des Herstellers Boeing steht quasi stellvertretend für den Bombenkrieg gegen Nazi-Deutschland. 1944-45 flogen riesige Verbände von bis zu 1.000 Maschinen quasi einen Angriff nach dem anderen auf deutsche Städte.
Die B-17 wurde nicht umsonst fliegende Festung genannt. Das Flugzeug war für die Zeit vergleichsweise groß: knapp 23 Meter lang, bei einer Spannweite von über 30 Metern. Die Standardbesatzung bestand aus zehn Mann, neben Piloten und Technikern auch Bordschützen, um feindliche Jäger abzuwehren. Insgesamt knapp 13.000 B-17 wurden während des Zweiten Weltkrieges gebaut.
Menschliche Überreste
Und eine davon wurde also im Ärmelkanal entdeckt. Recherchen haben es bereits erlaubt, den "Verdächtigenkreis" einzugrenzen. Vier Maschinen kommen noch infrage.
Inzwischen sind die US-Behörden eingeschaltet worden. Es sei nämlich so, dass wohl auch menschliche Überreste in dem Flugzeugwrack liegen, sagt der westflämische Provinzgouverneur Carl Decaluwé. Das Wrack sei aber nach wie vor fast vollständig von Sand bedeckt.
Bei den Amerikanern jedenfalls sei es ja Usus, dass sie ihre toten Soldaten in die Heimat zurückholen. Auch deswegen seien nähere Untersuchungen nötig. Anscheinend gibt es schon erste Kontakte zwischen Belgien und den USA, eben mit Blick auf eine mögliche Tauchexpedition zum Wrack der B-17.
Roger Pint