Nachdem bis Montagvormittag noch viel unklar geblieben war, was die 16 EU-Staats- und Regierungschefs am Sonntag bei ihrem Mini-Gipfel zur künftigen EU-Flüchtlingspolitik eigentlich im Detail besprochen und vielleicht auch beschlossen hatten, versuchte die EU-Kommission, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Auf der täglichen Pressekonferenz der Kommission standen zwei Sprecher den fragenden Journalisten Rede und Antwort.
Die wollten zunächst wissen, was die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Sonntagabend wohl damit gemeint haben könnte, als sie gesagt hatte:
"Wo immer möglich wollen wir natürlich europäische Lösungen finden. Und wo dies nicht möglich ist, wollen wir die, die willig sind, zusammenführen und einen Rahmen des gemeinsamen Handelns erarbeiten."
Die Kommissionssprecher drückten sich lange um klare Stellungnahmen herum. Sprecherin Natasha Bertaud sagte zunächst: "Das Ziel der Kommission und auch aller Mitgliedstaaten ist und sollte sein, alle Reformen gemeinsam zu beschließen."
Wenn ein gemeinsames Vorgehen allerdings nicht möglich sei, könnten tatsächlich einzelne Staaten gemeinsam Maßnahmen ergreifen. Quasi als Vorwegnahme dessen, was dann später für alle EU-Staaten gelten sollte. Aber so weit sei man noch lange nicht. Man sei erst in der Sondierungsphase von Ideen.
Drei hätten am Sonntag auf dem Tisch gelegen. Nämlich erstens: Die Zusammenarbeit mit nordafrikanischen Ländern, auf deren Boden Auffanglager für Flüchtlinge geschaffen werden könnten. In diesen Lagern könnte dann entschieden werden, ob ein Flüchtling Anrecht auf Asyl in Europa haben kann, oder nicht. Zweitens: Absprachen zwischen einzelnen EU-Ländern zur Auf- oder Rücknahme von Flüchtlingen. Drittens: Die direkte Ausweisung von Flüchtlingen in Drittländer. "Von diesen drei Optionen wurde die dritte am Sonntag definitiv abgelehnt, weil sie nicht im Einklang steht mit europäischem Recht", sagte Kommissionssprecherin Bertaud.
Im Klartext heißt das, dass diejenigen Flüchtlinge, die es bis auf den Boden der EU schaffen, dort auch erstmal bleiben können. Wie und wo, das ist eine andere Frage. Aber solche Menschen sofort zurückschicken, dass schließen die EU-Staaten aus. Bei Flüchtlingen, die auf dem Meer aufgegriffen werden, sieht das schon anders aus. Solche Flüchtlinge könnten künftig dann eben in Lager in Nordafrika gebracht werden. Um quasi in der EU erst gar nicht zum Problem zu werden.
Und das ist nichts anderes als das, was Staatssekretär Theo Francken vor kurzem vorgeschlagen hatte. Wenn alle EU-Küstenwachen zusammenarbeiten würden, könnte man Flüchtlinge noch vor dem Eintreffen in der EU abfangen und nach Nordafrika zurückschicken, hatte Francken vorgeschlagen.
Alles deutet darauf hin, dass sich die EU auf genau das vorbereitet. Denn Kommissionssprecherin Bertaud kündigte für den anstehenden EU-Gipfel am Donnerstag auch drei Vorschläge der EU-Kommission an. Nämlich zum einen, eben den Küsten- und Grenzschutz zu stärken. Zum anderen, die europäische Asyl-Agentur zu stärken, und drittens, die europäischen Regeln zur Rückführung von Flüchtlingen zu stärken.
Alle diese drei Maßnahmen sollten dann zusammenspielen, um die EU-Grenzen besser vor dem unkontrollierten Zustrom von Flüchtlingen zu schützen.
Das sind alles bislang nur Ideen. Aber sie stehen im Raum und werden diskutiert. Es wird spannend sein zu sehen, welche Entscheidungen der EU-Gipfel am Donnerstag dann bringen wird.
Kay Wagner