Michel sieht mit dem Vorstoß von Tusk endlich das verwirklicht, was Belgien schon seit drei Jahren fordere: nämlich gemeinsam mit allen anderen europäischen Partnern neue Wege beschreiten im Umgang mit den Flüchtlingen.
Noch vor drei Wochen habe er, Michel, in der Kammer für etwas ganz Ähnliches geworben, was Tusk jetzt für alle EU-Staaten vorschlägt. Nämlich für Abkommen mit Drittländern, Informations- und Orientierungszentren einzurichten. Das sei nämlich wichtig, um bei den Flüchtlingen vorab schon unterscheiden zu können zwischen den Menschen, die vor Gewalt und Verfolgung fliehen, und denjenigen Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa wollen, sagte Michel in der VRT.
Die Vorschläge von Tusk, Auffangzentren für Flüchtlinge in Nordafrika einzurichten, steht in einem vorläufigen Entwurf der Erklärung, die auf dem EU-Gipfel Ende nächster Woche von allen EU-Staats- und Regierungschefs angenommen werden soll. Dass so ein Vorschlag schon jetzt druckreif scheint, ist ein Zeichen dafür, wie aktiv zurzeit hinter den Kulissen an einer Lösung für das Flüchtlingsproblem gearbeitet wird.
Ganz zur Freude von Michel. "Ich stelle fest, dass die verstärkte diplomatische Aktivität, die in der jüngsten Zeit in einer ganzen Reihe von Ländern zu beobachten war - nicht zuletzt auch in Deutschland - jetzt dazu führt, dass Bewegung in die Sache kommt", sagt er. Denn es sei jetzt an der Zeit, Beschlüsse zu fassen und Entscheidungen zu treffen, um endlich Ergebnisse zu erzielen. Europa brauche einen legalen Weg für Einwanderung. Dafür müssten aber auch die Außengrenzen von Europa respektiert und kontrolliert werden. Das müsse das Ziel sein.
Vor dem EU-Gipfel kommende Woche wollen sich bereits am Sonntag mehrere EU-Staats- und Regierungschefs zu einem informellen Flüchtlings-Gipfel in Brüssel treffen - eine gemeinsame Initiative des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Neben Deutschland und Frankreich sollen auch die Regierungschefs aus Österreich, Italien, Griechenland, Spanien und Bulgarien, das zurzeit die EU-Ratspräsidentschaft ausübt, am Sonntag in Brüssel dabei sein. Der maltesische Regierungschef hat sich mittlerweile auch eingeladen.
Belgien wird von den Agenturen nicht als Teilnehmer genannt. Doch Belgien wird dabei sein, beteuert Michel. Er habe mit Juncker am Mittwoch gesprochen und ihm gesagt, wie absurd es wäre, so eine wichtige Frage nur in kleinem Kreis zu besprechen. Natürlich sollte auch Belgien bei solchen Gesprächen dabei sein.
Dass die Vorschläge von Tusk zur Einrichtung von Auffanglagern für Flüchtlinge außerhalb von Europa auch beim Koalitionspartner N-VA positiv aufgenommen werden, verwundert nicht. N-VA-Chef Bart De Wever kommentierte: "Das ist ein entscheidender Vorschlag, der da jetzt auf dem Tisch liegt. Das sind Sachen, von denen man bis vor kurzem noch gesagt hat, dass sie auf keinen Fall passieren dürfen. Jetzt liegen sie auf dem Tisch. Es ist bedauerlich, dass es so lange gedauert hat, bis die Früchte reif geworden sind. Aber ich kann feststellen: Sie sind reif geworden."
Kritik an Tusks Plänen kommt hingegen aus der Opposition. S.PA-Chef John Crombez stellt dabei in Frage, ob die Auffanglager tatsächlich auch eines Tages eingerichtet werden. Gegenüber der VRT sagte Crombez: "Das Problem mit Europa ist, dass oft Erklärungen verabschiedet werden, die dann aber nicht von allen Regierungen umgesetzt werden. Das wichtigste für Europa wäre, einen Plan zu erarbeiten, wie man den Menschen aus den Regionen, aus denen sie zu uns flüchten, eine Perspektive in ihrem eigenen Land eröffnen kann."
Kay Wagner