Frühjahr 2016, quasi genau vor zwei Jahren: Die Gefängniswärter streikten, protestierten gegen ihre Arbeitsbedingungen. Das war längst nicht das erste Mal. Doch diesmal meinten sie es ernst. Der Arbeitskampf zog sich über Wochen hin. Mehr als einen Monat lang mussten die Häftlinge mit dem absoluten Minimum auskommen: Hofgänge, Familienbesuche, sich einfach nur mal unter eine Dusche stellen zu dürfen, all das war auf ein Mindestmaß reduziert, wenn es überhaupt stattfinden konnte.
"Das ist Folter", urteilte der Europarat. Und das auch nicht zum ersten Mal. Dutzendfach ist Belgien wegen der teilweise unmenschlichen Bedingungen hinter den Gefängnismauern an den Pranger gestellt worden. Das hatte sogar dazu geführt, dass die Niederlande aus diesen Gründen nicht mehr nach Belgien ausliefern wollten.
Nach quasi unzähligen Ermahnungen und Verurteilungen jetzt also die Antwort von Justizminister Koen Geens. Und die lautet: Minimaldienst. "Das Anti-Folter-Komitee des Europarates hat uns mehrmals dazu aufgefordert, eine solche Maßnahme einzuführen, zumal Belgien zu den einzigen europäischen Ländern gehört, wo es nichts dergleichen gibt", sagte Geens in der RTBF.
Minimaldienst im Streikfall, um zu vermeiden, dass die Haftbedingungen auf Folter hinauslaufen. Das entsprechende Gesetzesprojekt steht und wurde auch schon den Gewerkschaften übermittelt.
Was steht drin?
Für jedes Gefängnis wird es einen spezifischen Plan geben. Darin wird festgehalten, welche Positionen wann zu besetzen sind, um eine Mindestversorgung für die Häftlinge gewährleisten zu können. "Denn es ist so: Die Versorgung, auf die ein jeder Anrecht hat, ist sozusagen gestaffelt. Essensausgabe und Hofgang, das greift natürlich ab dem ersten Tag. Duschen oder Besuche durch die Familie, die finden nur ein, zwei Mal die Woche statt. Entsprechend braucht man also - je länger der Streik dauert - mehr Personal", sagt Geens.
Dieses Personal muss man allerdings erst mal haben. Zunächst wird geschaut, ob es genug arbeitswillige Gefängniswärter gibt, um den Plan umzusetzen. Diese Bestandsaufnahme wird 72 Stunden vor dem Beginn des Streiks durchgeführt. Bekommt man nicht genug Personal zusammen, dann haben die Gewerkschaften nochmals 24 Stunden Zeit, um Leute zu mobilisieren. Notfalls können aber auch Bedienstete zwangsverpflichtet werden, im vorliegenden Fall durch den Provinzgouverneur.
Gewerkschaften sprechen von Kriegserklärung
"Zwangsverpflichtet", spätestens bei diesem Wort waren die Gewerkschaften definitiv auf der Palme. "Das ist eine Kriegserklärung", wetterte schon Michel Jacobs von der sozialistischen Gewerkschaft CGSP. Deswegen werde man auch gar nicht erst anfangen, über dieses Gesetzesprojekt zu verhandeln, fügt Michel Jacobs hinzu.
Ähnliche Töne bei den flämischen Kollegen. "Wir haben einen Urlaubsrückstand von über 500.000 Tagen, die also nicht genommen werden konnten. Wir haben zu wenig Personal. Es passiert zu wenig, um die Radikalisierung von Häftlingen zu verhindern", beklagte Gino Hoppe in der VRT. "Und der Regierung fällt nichts anderes ein als ein Minimaldienst." Das sei der schwerste Angriff auf die Gewerkschaften seit langer Zeit.
Gesprächsbereitschaft "null", kann man wohl behaupten. "Naja, mit stehenden Ovationen habe ich ohnehin nicht gerechnet", sagt Geens. Nur, nicht vergessen: Hier handele es sich um statutäres Personal, Beamte eben. Und das Statut gehe auch mit Pflichten einher. "Und wenn so ein Plan einmal steht, dann haben die Wärter auch ein gewisses Interesse daran, dass alle vorgesehenen Stellen besetzt werden."
Eine unverhohlene Drohung. Die Gewerkschaften drohen ihrerseits schon mit Streiks. Beide Seiten lassen es offensichtlich auf eine Kraftprobe ankommen.
Roger Pint