In Brüssel war am 11. November abends in der Innenstadt plötzlich die Hölle los. Die Fußballmannschaft von Marokko hatte sich kurz zuvor in einem Entscheidungsspiel für die Weltmeisterschaft in Russland qualifiziert. Mehrere hundert Fans von Marokko waren danach vor die Brüsseler Börse gezogen, um den Sieg dort zu feiern.
Die Party schlug um in Krawalle. Rund 300 Jugendliche randalierten minutenlang ungehindert im Brüsseler Stadtzentrum herum, zerstörten Fensterscheiben, plünderten Geschäfte, zündeten Autos an und warfen mit Steinen auf Polizisten.
Das erste WM-Spiel von Marokko gegen Iran wird am Freitag um 17 Uhr angepfiffen. Kurz vor 19 Uhr ist Schluss. Danach wird es sich entscheiden, ob diesmal alles besser läuft als damals. Die Stadt Brüssel hat zumindest einige Vorkehrungen dafür getroffen.
Ein Public Viewing oder eine Fanmeile gibt es bewusst nicht während der ganzen WM, die Polizeipräsenz ist verstärkt, auch andere Sicherheitskräfte zur Prävention halten sich häufiger als sonst im Umfeld der Börse auf. Hier versammeln sich traditionell die Fans von Mannschaften, wenn es Siege zu feiern gibt.
Feiern nicht verbieten
Ausschreitungen sind auch diesmal nicht auszuschließen, sagt Ahmed Laaouej. Er ist Fraktionsführer der PS in der Kammer, aber auch im Gemeinderat der Brüsseler Teilgemeinde Koekelberg, einer Nachbargemeinde von Molenbeek unweit des Stadtzentrums. "Einige gewaltbereite Menschen, die für Unruhe sorgen, kann es immer geben. Deshalb müssen wir aufmerksam sein, präventiv vorgehen und wenn nötig auch eingreifen. Aber ich denke, das sollte auf angemessene Weise geschehen und mit einem gewissen Maß an Zurückhaltung."
Damit trifft Laaouej den Ton, den auch Brüssels PS-Bürgermeister Philippe Close anschlägt. Seit mehreren Wochen habe sich die Stadt schon auf die WM vorbereitet. Man sei durchaus sehr wachsam. Aber das Feiern sollte keinem verboten werden. In der RTBF sagte Close: "Natürlich kann jeder ins Brüsseler Stadtzentrum kommen. Aber wir bitten jeden, ohne Rucksack zu kommen, keine Knallkörper oder bengalische Feuer mitzubringen, den Anweisungen der Sicherheitsbediensteten, die zahlreich anwesend sein werden, zu folgen. Diese Bediensteten sind da, um die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten und eine friedliche Feier zu ermöglichen."
Alarmstufe acht
Die Wachsamkeit gilt vor allem für die Brüsseler Polizei. Auf einer Skala von null bis zehn stuften die Beamten der Polizeizone Brüssel-Ixelles die Gefahrenlage für Freitag auf acht ein. Zum Vergleich: Beim WM-Eröffnungsspiel am Donnerstag zwischen Russland und Saudi-Arabien galt Alarmstufe eins.
Polizeikommissar Daniel Van Calck begründet in der VRT: "Wir sind darauf vorbereitet, dass viele junge Marokkaner kommen werden, die sagen, dass sie zum Feiern kommen. In Feierlaune, wie sie sagen. Aber auf dem Großen Markt und an der Börse war es damals im November auch Feierlaune …"
Dazu kommen noch weitere Tatsachen, die das Spiel brisant machen. "Es ist das Ende vom Fastenmonat Ramadan, es ist ein Spiel zwischen Sunniten und Schiiten, und wir haben halt die Vorfälle vom letzten Mal", so Van Calck. Bereitschaftsstufe acht von zehn, das sei wahrscheinlich angemessen, sinniert der Polizei-Kommissar.
Und beteuert nochmal: "Wir sind darauf vorbereitet, falls etwas passieren sollte. Aber immer in dem Esprit – wie der Bürgermeister es wünscht – dass, wenn es friedlich bleibt, die Menschen auch in Ruhe einfach nur feiern können."
Kay Wagner