Zunächst machten zwei Politiker von sich reden. Innenminister Jan Jambon brachte den Täter von Lüttich, Benjamin Herman, mit einem weiteren Mord in Zusammenhang. In der Ortschaft On nur wenige Kilometer von Hermans Heimatstadt Rochefort war in der Nacht auf Dienstag Michaël Wilmet ermordet worden.
Wilmet war der Polizei als Drogenhändler bekannt, Wilmet und Herman kannten sich. Herman war gesehen worden, wie er am Montagabend zu Wilmet gegangen war und dessen Wohnung gegen drei Uhr morgens angeblich überstürzt verlassen hatte. Beweise für einen Zusammenhang der Morde gibt es noch nicht. Auch Jambon konnte bei RTL keine liefern.
Geens: "Ich fühle mich verantwortlich"
Bei der RTBF war unterdessen Justizminister Koen Geens zu Gast. Ungewöhnlich offen für einen Politiker sagte er da: "Ich fühle mich zunächst einmal verantwortlich, denn ich bin verantwortlich für die Gefängnisse."
Damit griff Geens die Frage vieler auf, wie es nur hatte sein können, dass ein Mann wie Benjamin Herman Freigang aus seiner Haft bekommen konnte? Ein Mann, der immer wieder im Gefängnis saß, als aggressiv galt, von der Staatssicherheit im Zusammenhang mit Radikalisierung und Islamismus geführt wurde.
Geens antwortete darauf, dass das nun mal so sei. Freigang sei ein wichtiges Instrument. Straftäter müssten eine Perspektive haben, eine Möglichkeit, gegen Ende ihrer Strafe den Eintritt ins Leben außerhalb der Gefängnismauern vorzubereiten. Wörtlich sagte Geens: "Für die normalen Straftäter, wie in diesem Fall, würde ich nicht gerne eine Debatte um die Abschaffung der Freigänge beginnen. Denn das würde die Menschen in den Gefängnissen wirklich in die Hoffnungslosigkeit treiben."
Bezüglich eines radikal-islamistischen Hintergrunds der Tat blieb Geens vorsichtig. Nur, weil jemand sich offen zum Islam bekennt, betet und den Ramadan einhält, heißt das noch nicht, dass dieser Mensch ein Terrorist sei, sagte der Minister.
Kontakt zu radikalisierten Personen
Ähnlich vorsichtig blieben wenige Stunden später die Sprecher der föderalen Staatsanwaltschaft. Sie bestätigten vor allem den Ablauf der Ereignisse von Dienstag, fast genauso, wie er bis dahin schon von den Medien berichtet worden war.
Auch bei der Einstufung der Tat als Terrorakt blieben sie der bisherigen Einschätzung treu. Dass ein islamistischer Hintergrund eine Rolle gespielt haben könnte, darauf wollten sie sich zwar nicht festlegen. Einen Einfluss sieht die Staatsanwaltschaft aber durchaus. Denn: Die Art und Weise, wie der Täter vorgegangen sei, entspreche den Empfehlungen, die der Islamische Staat im Internet durch Nachrichten und Videos verbreitet, sagte eine Sprecherin. Dazu gehöre, Polizisten zunächst mit einem Messer anzugreifen, um ihnen dann die Waffen abzunehmen, oder auch "Allahu Akbar" bei der Tat zu rufen. Beides war in Lüttich so geschehen.
Sicher sei auch, dass Benjamin Herman in Kontakt mit radikalisierten Personen stand. "Diese Informationen stammen allerdings aus 2016 und von Anfang 2017. Seitdem sind solche Kontakte nicht mehr bestätigt worden", sagte die Sprecherin.
Trauerfeier
Und dann begann um 13 Uhr die Trauerfeier in Lüttich. Rund 1.000 Menschen hatten sich am Espace Tivoli zusammengefunden, um zunächst mit einer Schweigeminute, dann mit feierlicher Musik der Opfer zu gedenken. Viele Polizisten waren anwesend. Premierminister Charles Michel ebenso wie Innenminister Jan Jambon und Senatspräsidentin Christine Defraigne, die aus Lüttich stammt.
Im Rathaus war ein Kondolenzbuch ausgelegt worden. Beim Café des Augustins, vor dem die beiden Polizistinnen und der Student erschossen worden waren, drückten viele Lütticher mit Blumen ihre Anteilnahme mit den Opfern und ihrer Angehörigen aus. Unter ihnen auch ein älterer Herr, der sagte: "Ich bin Marokkaner, Moslem, mit belgischer Nationalität. Ich komme hierhin, weil gestern mein Herz getroffen wurde. Es ist krank geworden, wegen dieses Attentats."
Kay Wagner