Darifa arbeitete am Dienstag wie jeden Vormittag am Lütticher Athenäum Léonie de Waha. Wie jeden Vormittag sorgte die belgo-marokkanische Frau dort für Ordnung und Sauberkeit.
Plötzlich seien mehrere Menschen in die Eingangshalle der Schule gestürmt. Alle seien in verschiedene Richtungen davongelaufen. Die Eingangshalle liegt zwischen der Straße und dem Pausenhof. Sie habe die Türen dann zugemacht, berichtet Darifa. Aber nicht verschlossen, weil sie keine Schlüssel habe. Als sie die letzte Tür zugemacht hatte und gerade selbst weglaufen wollte, habe sie plötzlich dem Schützen genau gegenüber gestanden.
Der Mann habe sie gefragt, ob sie Muslimin sei, erzählt Darifa weiter. "Ich habe ihm geantwortet: Ja, ich bin Muslimin. Er hat mich gefragt, ob ich den Ramadan einhalte? Ich habe ihm geantwortet: Ja, ich halte mich an den Ramandan. Daraufhin hat er mir gesagt: Mach dir keine Sorgen, ich werde dir nichts tun."
Danach hätten sie miteinander gesprochen. Sie habe den Mann unter anderem gefragt, warum er das heute tun würde. "Was hat dich dazu bewogen? Er hat geantwortet: Es musste eines Tages geschehen. Ich musste das tun, was ich mache."
Während der Diskussion mit Benjamin Herman habe sie versucht, den Lehrern auf dem Pausenhof Zeichen zu geben, dass sie verschwinden sollten. Die hätten das aber offensichtlich nicht verstanden. Vielmehr habe der Mann die Geste gesehen, und dann auf eins der Fenster geschossen, die auf den Hof rausgehen. "Da habe ich angefangen zu schreien und zu weinen", erzählt Darifa. "Daraufhin hat er gesagt, ich solle aufhören zu weinen. Warum ich denn weinen würde? Ich müsste weinen um meine Brüder in Palästina und Syrien."
Alle Versuche, Benjamin Herman zum Aufgeben zu überreden, hätten nichts gebracht. "Ich habe mit ihm diskutiert, um ihn zu überzeugen, die Sache zu beenden", so Darifa. "Keine Chance. Während wir geredet haben, hat er dreimal Allahu Akbar gesagt. Und auf einmal hat er mir gesagt, ich solle die Tür aufmachen. Da bin ich schnell davongelaufen. Und er ist rausgegangen."
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Kay Wagner