An die Klingel, fertig, los. Das ist der Startschuss zur Jubiläums-Tour der Brüsseler "Critical Mass". Unter diesem Banner treffen sich seit 20 Jahren überzeugte Radfahrer, um als kritische Masse den Autos die Hoheit auf den Straßen der Hauptstadt streitig zu machen. Mehrere Hundert haben sich am Freitag, 25. Mai, an der Porte de Namur getroffen, um zwei Stunden lang im Pulk kreuz und quer durch Brüssel zu radeln. Philipp aus Bonn wohnt seit vier Jahren in Brüssel. Über Facebook hat er von der Jahrfeier der Aktion erfahren und hat deshalb mit Frau und Kindern erstmals bei Critical Mass mitgemacht .
Die Bewegung Critical Mass ist zu Anfang der 1990er Jahre in San Francisco entstanden und hat sich seitdem weltweit ausgebreitet. In Städten wie Berlin und Hamburg sind regelmäßig Tausende Radfahrer gemeinsam unterwegs, um für mehr Beachtung und Sicherheit im Straßenverkehr zu demonstrieren. Den Rekord hält seit 2013 die ungarische Hauptstadt Budapest. Geschätzt 100.000 Radfahrer fluteten dort die Straßen. Davon ist Brüssel noch ein Stück entfernt. "Aber jeden Monat sind wir mehr Leute", erzählt Ben, der bereits seit mehreren Jahren dabei ist. "Heute sind wir 300 und bald sind wir 1.000."
Dass die Brüsseler Critical Mass vergleichsweise klein ist, liegt wohl auch daran, dass die Stadt im Allgemeinen nicht besonders Fahrradfahrer-freundlich ist. Das musste auch Sarah aus Tübingen feststellen, als sie vor fünf Jahren für ihr Psychologie-Studium aus Süddeutschland nach Belgien kam.
Aber wie funktioniert es, wenn 300 Leute gemeinsam Fahrrad fahren? Ganz einfach: Die Vordersten geben das Tempo vor und halten gegebenenfalls an Kreuzungen und Ampeln, der Rest des hunderte Meter langen Zuges folgt - auch wenn die Ampel in der Zwischenzeit auf Rot umgesprungen ist. So rollt die kritische Masse durch die Stadt - häufig zum Verdruss der Autofahrer. Denn die haben keine andere Wahl, als zu warten.
Das Politische an der Veranstaltung ist wichtig. Aber es soll auch Spaß machen. Mehrere dutzend Teilnehmer transportieren deshalb Musikanlagen auf ihren Rädern. Auch an kalten Getränken mangelt es nicht. Die Polizei folgt auf Schritt und Tritt. Eingreifen muss sie nicht.
Sergio kennt Critical Mass aus seiner Heimat Spanien. "Das Fahrrad ist mein Fortbewegungsmittel, damit fahre ich zur Arbeit. Das hier ist also auch eine super Gelegenheit, um andere Leute kennenzulernen, die gerne Fahrrad fahren."
Peter Eßer