Die EU-Kommission wird wegen der Staatsschuld kein neues Verfahren gegen Belgien einleiten. Das hat Kommissionsvize Valdis Dombrovskis am Mittwoch bei der Vorstellung der Empfehlungen für die EU-Mitgliedsstaaten erklärt.
Bei einem zu hohen Haushaltsdefizit oder einer zu hohen Staatsverschuldung kann die EU-Kommission Strafen gegen die Mitgliedstaaten verhängen. Belgien und auch Italien sind davon dieses Jahr aber nicht betroffen. Es gebe nicht genügend eindeutige Beweise, dass Belgien die europäischen Richtlinien in Sachen Staatsschuld und Haushalt nicht einhalte, heißt es dazu.
"Für Belgien gibt es nicht genügend belastbare Hinweise darauf, dass das Land nicht die von der EU verlangten Kriterien für eine gute Haushaltsführung erfüllt. Deshalb konnte der aktuelle Bericht auch kein Urteil darüber fällen. Wir werden also die Lage weiter genau beobachten. Aber wir haben sehr positive Gespräche mit der belgischen Regierung geführt und wir hoffen, dass das so weitergehen wird", sagte EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici. Im Klartext heißt das: Keine EU-Auflagen wegen einer schlechten Haushaltsführung. Keine Rüge, kein Verfahren. Dafür Warteschleife. Und die Ermunterung, an verschiedenen Reformprojekten weiterzuarbeiten.
Am Ende des achtseitigen Berichts notiert die Kommission eine ganze Reihe von Empfehlungen. Die belgische Regierung wird unter anderem dazu aufgefordert, die Rentenreform voranzubringen, die Steuerpolitik auf den unterschiedlichen Ebenen aufeinander abzustimmen, die Ausgaben von öffentlichen Geldern zu verbessern. Mehr Menschen sollen dem Arbeitsmarkt zugeführt, die Bildung gerade in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik stärker gefördert werden. Bürokratie für Unternehmen soll abgebaut und kräftig in die Infrastruktur, vor allem in die Verkehrsinfrastruktur investiert werden.
Und dann will die EU-Kommission nächstes Frühjahr das nachholen, was sie dieses Jahr aufgrund der unübersichtlichen Lage nicht konnte. Nämlich konkrete Bemerkungen zur Situation in Belgien rückwirkend veröffentlichen. "Wenn wir die Daten für das Jahr 2018 vorliegen haben“, Pierre Moscovici.
Bei belgischen Politikern löste die quasi fehlende Einschätzung der EU-Kommission unterschiedliche Reaktionen aus. Für Premierminister Charles Michel sind die Bemerkungen der Kommission keine Überraschung, sondern vielmehr eine Ermutigung, weiter hart an den Reformen zu arbeiten, und das bis zum letzten Tag der aktuellen Legislaturperiode, so Michel. Zufriedenheit auch bei Michels Parteikollegin, der föderalen Haushaltsministerin Sophie Wilmès. Die Neuverschuldung Belgiens sei weiter am Sinken. Sie erreiche jetzt schon so niedrige Werte wie zuletzt 2010. Dank der guten Konjunktur könne 2019 schon mit der schwarzen Null geflirtet werden.
Kritische Töne dagegen schlägt der N-VA-Kammabgeordnete Johan Klaps an. Ein "schlechtes" Zeugnis habe die EU-Kommission Belgien da ausgestellt. Klaps sieht in dem Bericht eine Aufforderung an die Regierungspartner, Reformen und Sparmaßnahmen mit noch mehr Nachdruck anzugehen. Das sei bislang nicht geschehen und würde eigentlich auch nur die N-VA so richtig als Ziel ausgeben. "Europa fordert mehr N-VA", so Klaps auf dem Nachrichtenportal Twitter.
Das EU-Verfahren gegen Frankreich wegen übermäßiger Haushaltsdefizite wird nach neun Jahren eingestellt. Das Defizit lag 2017 bei nur noch 2,6 Prozent der Wirtschaftskraft - und so erstmals seit 2007 unter der von der EU vorgegebenen Schwelle von drei Prozent.
belga/km/kw