Wer war der Riese? Jener Mann, der auf den allseits bekannten Suchplakaten als das "Phantombild Nummer 19" geführt wird? Jener Verbrecher, den viele Augenzeugen beschrieben haben - ein Mitglied der Killerbande von Brabant, die zwischen 1982 und 1985 insgesamt 28 Menschen tötete. Der, den man den Riesen nannte, der galt dabei als besonders brutal.
Vor rund einem halben Jahr gab es plötzlich eine vermeintliche Knallermeldung. Ein gewisser Christian Bonkoffsky soll kurz vor seinem Tod seinem Bruder gegenüber gestanden haben, eben dieser Riese gewesen zu sein. Dieser Bonkoffsky war Gendarmerie-Beamter, zwischenzeitlich bei der Sondereinheit Diane.
In den Köpfen vieler Leute, die sich mit dem Fall beschäftigen, mochte das auch passen. Immer wieder wird die These in den Raum gestellt, wonach es eine gewisse Nähe gegeben habe zwischen der Killerbande von Brabant und der damaligen Gendarmerie.
WNP-Spur
Gerade in dem Moment, als es hieß, die Bonkoffsy-Spur sei wohl doch nicht die richtige, tauchte aber auch schon ein neuer vermeintlicher Kronzeuge auf. Dessen Aussagen beziehen sich auf eine weitere Theorie, die sozusagen von Beginn an im Zusammenhang mit den Killern durch die Presse geisterte, nämlich die WNP-Spur.
WNP steht für "Westland New Post", eine Neonazi-Gruppe, die Ende der 70er, Anfang der 80er bestanden hat. Nummer 2 der Gruppe war Michel Libert. Besagter Zeuge war eine Zeitlang Mitglied des WNP. Und er beschuldigt jetzt eben diesen Michel Libert, der Riese gewesen zu sein.
Bislang war das nur eine Beschuldigung. Jetzt hat der Mann in der VRT aber seine Aussagen untermauert. Beispiel: Libert habe ihm damals erzählt, dass er sich 1982 bei einer "Operation" im frankophonen Landesteil eine Verfolgungsjagd mit der Gendarmerie geliefert habe, bei dem es auch zu einem Schusswechsel gekommen sei.
1982 gab es tatsächlich zwei Zwischenfälle, die der Killerbande zugeschrieben werden und die dazu passen könnten. Einmal den Raub in einem Krämerladen im nordfranzösischen Maubeuge, und dann, wenig später, den Überfall auf ein Waffengeschäft in Wavre. Beide Male fielen Schüsse, beide Male gab es Verletzte. In Wavre wurde sogar ein Polizist getötet.
"Jetzt mal ehrlich", sagte also der im Übrigen vermummte Kronzeuge in der VRT: "Wenn mir Michel Libert dann erzählt, dass er genau in dieser Zeit in einen Schusswechsel mit Ordnungskräften verwickelt war, dann wäre das doch schon ein sehr großer Zufall".
Libert: "Das muss aufhören"
Libert wurde schon mehrmals verdächtigt, in den Fall der Killerbande mindestens verwickelt zu sein. Und er hat offensichtlich genug davon. "Das muss aufhören", sagte er vor einigen Tagen in der VRT. Wenn er wirklich was damit zu tun hätte, dann hätte er doch längst seine Sachen gepackt und hätte sich nach Südamerika abgesetzt. Dabei war es Michel Libert selbst, der in einer BBC-Reportage von 1992 seine frühere Organisation in die Nähe der Killer von Brabant gerückt hatte.
WNP verstand sich damals selbst als ein sogenanntes "Stay Behind"-Netzwerk. Heißt: Im Falle einer sowjetischen Invasion sollten diese Organisationen den Widerstand organisieren. WNP war aber zudem ein waschechtes Nazi-Grüppchen. Alle Mitglieder hatten Tarnnamen, die möglichst deutsch klingen sollten. Paul Latinus, der Chef des WNP, nannte sich etwa selbst "Der Marschall". Michel Libert trug den Codenamen "Von Graffenberg".
Zwischen 1982 und 1985 habe seine Gruppe verschiedene "Operationen" durchführen müssen. Wer die Aufträge erteilte, das wusste, wenn überhaupt, dann nur der Chef, sprich: Paul Latinus. Der ist allerdings tot. Er soll sich umgebracht haben, die Umstände gelten aber als dubios. Im Nachhinein habe er sich jedenfalls doch Fragen gestellt, sagte Libert in der BBC. So hätten er und seine Mitstreiter Supermärkte ausspähen müssen: Öffnungszeiten, Präsenz von Sicherheitsleuten, Alarmsysteme, etc. Er habe eben nur nie gewusst, wofür oder für wen sie die Aufträge ausgeführt hätten.
Er wolle ja nicht ausschließen, dass er Leute gekannt hat, die später in Verbindung standen mit der Killerbande. Ja, es gebe da mit Sicherheit Leute, die das Profil gehabt haben mögen. Er suche aber auch schon seit Jahren nach genaueren Hinweisen, habe sie aber bislang nicht gefunden.
Roger Pint