William Vance, der Name klingt vielleicht auf Anhieb nicht so schillernd wie Hergé, Franquin oder Peyo. Dennoch dürfte jeder zumindest schonmal ein Album gesehen haben, das aus seiner Feder stammt. William Vance gehörte zu den produktivsten Comiczeichnern der franko-belgischen Bande Dessinée. Grob gezählt kommt er auf mindestens 70 Alben - das ist durchaus enorm. Nicht sehr viele seiner Kollegen können ein ähnlich umfangreiches Werk vorweisen.
Das mag auch ein Hinweis darauf sein, dass sich der Erfolg erst spät einstellte. "Ja, doch, der Weg war steinig", sagte Vance einmal in einem VRT-Interview. Zumal, wenn man niederländischsprachig war in dieser doch sehr frankophonen Bande Dessinée. Aber gut, niemand hatte es wirklich leicht.
Ein waschechter Brüsseler, so angelsächsisch sein Name auch klingen mag. Vance war auch nur ein Pseudonym, zusammengesetzt aus seinem Nachnamen. Denn eigentlich hieß er William Van Cutsem. Geboren wurde er am 8. September 1935 in Anderlecht.
Realistischer Comic
Nach ersten Erfahrungen in der Werbebranche stößt er Anfang der 1960er Jahren zum Team der berühmten Comiczeitschrift Tintin, in der damals noch Hergé den Ton angab. Der junge William Vance kommt in dieser Zeit mit vielen, heute legendären Größen der Bande Dessinée in Kontakt, steht aber schnell auf eigenen Füßen. Seine Spezialität, das ist von Anfang an der "realistische" Comic, also im Gegensatz zur Ligne claire von Tintin oder dem eher humorvoll überzeichneten Stil der Spirou-Zeichenschule.
William Vance hatte immer eine Vorliebe für den klassischen Abenteurer, den gutaussehenden, sehr männlichen Teufelskerl, der sämtliche auch noch so gefährliche Situationen souverän übersteht. Gutes Beispiel dafür ist "Bruno Brazil", die erste Serie, mit der sich William Vance in den 60er Jahren wirklich einen Namen macht.
Parallel dazu wird er auch der Zeichner von "Bob Morane". Das war und das ist wohl noch so etwas wie der James Bond des frankophonen Kulturkreises. Was viele Franzosen wohl am liebsten verdrängen, aber dieser Bob Morane ist übrigens das Geschöpf eines belgischen Schriftstellers, des inzwischen 99-jährigen Henri Vernes.
Der wirkliche Erfolg, der sollte aber erst noch kommen. Damals, 1984, lag plötzlich kein Szenario vor für ein neues Album von Bruno Brazil, erzählte William Vance einmal der französischen Zeitung Le Figaro. Naja, der Verleger machte Druck. Und da habe er gesagt: Lass uns doch was machen, so im selben Stil aber mit einem anderen Titelhelden. Und dann habe sich Jean Van Hamme an die Arbeit gemacht.
Begegnung mit Jean Van Hamme
Dieser Jean Van Hamme ist in den 80ern der aufsteigende Stern der Bande Dessinée. Als Szenarist hat er schon die Figur Thorgal geschaffen, die sich gerade zu einem Riesenerfolg entwickelt. Und die Begegnung mit diesem Van Hamme ist wohl der Schlüsselmoment in der Karriere von William Vance, wenn er da auch schon fast 50 war.
Aus dieser Zusammenarbeit entsteht die Serie XIII. Im Mittelpunkt steht ein Mann, der an einem Strand angespült wird und der sein Gedächtnis verloren hat. Schnell wird im klar, dass er wohl eine düstere Vergangenheit gehabt haben muss. Und tatsächlich: Dieser XIII war zentrale Figur ein einem unglaublichen Komplott.
Bombenerfolg mit XIII
XIII wurde zu einem Bombenerfolg. Lange hatte eine Comicserie nicht mehr so viele Leser angesprochen. 14 Millionen verkaufte Alben, heißt es.
Grundlage dieses Erfolgs ist die perfekte Kombination aus einer soliden Geschichte und eben dem realistischen Zeichenstil von William Vance. Er zeichnete mit Tusche und Feder, sagt Jacques Schrauwen, der Comic-Experte der RTBF. Das mache die Zeichnungen sehr ausdrucksstark. Der detaillierte Hintergrund war dabei nie zu opulent und das Bild wirkte nie überfrachtet.
18 Alben der Serie zeichnete Vance. Bis es nicht mehr ging. 2010 machte er Le Figaro gegenüber ein trauriges Bekenntnis: Er könne nicht mehr zeichnen. "Ich bin blockiert. Schauen Sie, ich zittere". Parkinson - für einen Zeichner wohl die schlimmste aller Krankheiten. Vance zog sich nach Spanien zurück, wo er die letzten Lebensjahre verbracht hat.
Wie viele seiner Kollegen war Vance sehr zurückhaltend und bescheiden. Seine Helden ließ er die Welt bereisen, er selbst hat seinen Zeichentisch dagegen so gut wie nie verlassen. "Wissen Sie, das ist meine Art zu reisen", sagte er. Und er sehe dabei mehr, als die Menschen, die die Orte tatsächlich besucht haben.
Roger Pint