Ein solches Hin und Her hat man wohl lange nicht gesehen. "Würdelos", wäre man geneigt zu sagen. Wie sich die Bilder doch gleichen: Kaum sind die Winterquartiere zu, da verwandelt sich der Bereich um den Nordbahnhof schon wieder in ein Flüchtlingscamp. Mit allem, was dazugehört, inklusive der Missstände. Ein Bahnhof ist eben kein Auffanglager...
"So kann es nicht weitergehen", hat man sich in der Brüsseler Regierung gesagt. Im Stadtteil Haren wurde eine provisorische Notunterkunft eröffnet. 600.000 Euro legt die Region dafür auf den Tisch. "Wir schießen das Geld aber lediglich vor", sagt der Brüsseler SP.A-Minister Pascal Smet. "Die Rechnung werden wir aber später an die Föderalregierung weiterleiten." An die Föderalregierung, weil die eben für die Flüchtlings- und Asylpolitik zuständig ist.
Hier geht es zwar nicht nur um Flüchtlinge, sondern um Obdachlose allgemein. Nur: "Wir können jetzt auch nicht unterscheiden, wer für wen zuständig ist", sagt der Brüsseler PS-Ministerpräsident Rudi Vervoort. "Wir wollen einfach nur helfen."
Francken und Jambon wollen nicht zahlen
"Jetzt schlägt's aber dreizehn", reagierte sinngemäß der für Asyl und Migration zuständige föderale Staatssekretär Theo Francken, also, grob gesagt, der Mann, dem die Brüsseler die Rechnung schicken wollen. Wir werden keine Anlaufstelle schaffen für Transitmigranten, die sich auf dem Weg nach Großbritannien befinden. Wenn die Sozialisten und Linken in der Brüsseler Regierung das doch machen wollen, dann müssen sie auch dafür aufkommen. Er jedenfalls werde nicht bezahlen.
Francken warnt also wieder vor dem ominösen "Ansaugeffekt", der nach seiner Ansicht dazu führen könnte, dass in Belgien quasi ein neues Calais entsteht. Und er bekommt da naturgemäß Rückendeckung von Innenminister Jan Jambon, schließlich ein Parteikollege. "Sollen wir nicht gleich eine neue Metrolinie aufmachen, um den Brüsselern ihre Rechnungen wieder zurückzuschicken?", giftete Jambon. Mal ehrlich: Das sei so lächerlich, da müsse man doch gar nicht drüber nachdenken: "Wir zahlen selbstverständlich nicht".
Schuldzuweisungen
Das war's aber noch nicht. Wer Rechnung sagt, der sagt natürlich auch Verantwortung. Wer ist schuld an der Situation am Nordbahnhof? Für den Brüsseler SP.A-Minister Pascal Smet besteht da kein Zweifel: Der Föderalstaat übernehme schlichtweg nicht seine Verantwortung. Hier gehe es denn auch weniger um die Rechnung an sich. Hier gehe es darum, den Asylstaatssekretär daran zu erinnern, seinen Job zu machen.
"So ein Quatsch!", erwidert Theo Francken. Schuld habe die Gemeinde Schaerbeek, auf deren Gebiet sich der Nordbahnhof befindet. Das falle also in die Zuständigkeit von Bürgermeister Bernard Clerfayt, der einfach nur seine Polizei schicken müsste. Stattdessen scheine der es aber vorzuziehen, politische Spielchen zu spielen.
"Francken lügt"
"Was ist los?", reagierte wiederum der so Gescholtene. Beim letzten Mal, als die Gemeinde Schaerbeek ihre Polizei geschickt habe, sei das Ganze an den zu knappen personellen Mitteln des Ausländeramts gescheitert, das ja eine föderale Einrichtung ist.
"Francken lügt", sagt Bernard Clerfayt. Und davon abgesehen, sagt Clerfayt: Der Bahnhof an sich, der falle in die Zuständigkeit der Bahnpolizei - und die sei föderal, also dem Innenminister unterstellt. Womit auch hier das Thema einmal die Runde gedreht hätte.
Der einzige, der zumindest auf föderaler Ebene offensichtlich nicht vergessen hatte, dass es hier um Menschen geht, das war der CD&V-Vizepremier Kris Peeters. "Mein Gott, dieses Weiterreichen von Verantwortlichkeiten und Rechnungen, das bringt uns doch nicht weiter. Wir sollten einfach nur gemeinsam nach Lösungen für die Menschen suchen."
Roger Pint