Eine Endlosschleife - wieder hat sich offensichtlich eine Spur im Fall der Killerbande von Brabant zerschlagen. Dabei war die vor einem halben Jahr noch als "vielversprechend" bezeichnet worden. In der Presse war sogar schon von einem möglichen Durchbruch die Rede gewesen.
Das war vor einem halben Jahr. "Der Riese ist identifiziert", hieß es im vergangenen Oktober. Der "Riese", da weiß in Belgien quasi jeder, wer damit gemeint ist. Seit mehr als 30 Jahren steht dieser "Riese" sozusagen stellvertretend für die Killerbande von Brabant, die in den 80er Jahren für Angst und Schrecken gesorgt hatte.
Zwischen 1982 und 1985 hat die Bande 28 Menschen ermordet. Die meisten von ihnen bei ebenso spektakulären wie brutalen Überfällen auf Supermärkte. Viele Zeugen beschrieben unter anderem einen außergewöhnlich großen Täter, der darüber hinaus besonders blutrünstig zu Werke ging, eben der "Riese". Wie seine Komplizen ist er bis heute ein Phantom.
Unheimliches Geständnis
Mai 2015. Die letzte Attacke liegt fast genau 30 Jahre zurück. Ein gewisser Christiaan Bonkoffsky legt auf dem Sterbebett seinem Bruder gegenüber ein unfassbares Geständnis ab: Er sei Mitglied der Killerbande von Brabant gewesen, sagt er kurz vor seinem Tod.
Das Verstörende: Der Mann hatte in der Vergangenheit schon auf der Liste der Verdächtigen gestanden. 1998 hatte ein Zeuge eine Verbindung hergestellt zwischen diesem Christiaan Bonkoffsky und dem Phantombild Nummer 19, das eben den "Riesen" zeigt. Eine erste Überprüfung des Verdächtigen blieb aber erfolglos.
Dennoch: Das unheimliche Geständnis steht im Raum. Besagter Bruder wendet sich dann anderthalb Jahre später an David Van der Steen. Der heute 42-Jährige ist selbst ein Opfer der Killerbande von Brabant. Bei der furchtbaren Attacke auf den Supermarkt von Aalst am 9. November 1985 ermordeten die Täter seine Eltern und seine kleine Schwester. Der damals Neunjährige überlebte schwer verletzt.
David van der Steen hat dem Riesen buchstäblich in die Augen geschaut. Zwar war er damals sehr jung, doch kam für ihn dieser Christiaan Bonkoffsky als Täter infrage. Und er sei nicht der einzige, sagte Van der Steen am Donnerstag in der VRT. Viele Zeugen hätten in Christiaan Bonkoffsky den Riesen zu erkennen geglaubt.
Vielversprechende Spur?
Van der Steen jedenfalls wendet sich mit dem Hinweis an die Polizei, die erste Nachforschungen anstellt. Unter anderem werden die Krankmeldungen des Verdächtigen abgeglichen mit den Tagen der Überfälle der Killerbande von Brabant. Und vieles scheint zu passen. Auch, dass Christiaan Bonkoffsky einst Mitglied der Gendarmerie war, zwischenzeitlich sogar bei der Eliteeinheit "Diane". Schließlich gab es ja auch immer mal wieder die These, dass die Täter aus diesem Umfeld gekommen sein könnten.
Irgendwann haben die Ermittler den Eindruck, dass sie endlich nochmal eine wirklich vielversprechende Spur haben. Im Oktober vergangenen Jahres sickert die Info dann an die Presse durch. Und plötzlich gab's dann doch wieder die Hoffnung, dass man über diesen Christiaan Bonkoffsky auch den Rest der Bande endlich entlarven könnte.
Zweifel
Inzwischen klingt das aber anscheinend ganz anders. In Het Laatste Nieuws bringen Ermittler am Donnerstag ihre Zweifel zum Ausdruck. "Eigentlich sind wir zu 99 Prozent sicher, dass Christiaan Bonkoffsky nicht der Riese war", wird einer zitiert. In den letzten Monaten habe man hart gearbeitet, um die These mit weiteren Fakten zu unterfüttern. Man habe aber keinerlei neue Indizien gefunden, die für eine Täterschaft des Verdächtigen sprechen könnten. Und hinzu komme eben, dass man Tote leider nicht befragen könne. Das Fazit von Het Laatste Nieuws: "Die Spur 'Chris B.' wird wohl ein zweites Mal begraben".
David Van der Steen kann es nicht fassen. Alles wirkte doch so plausibel, sagte das Opfer der Killerbande in der VRT. Und jetzt, nach Monaten der Funkstille, jetzt heißt es plötzlich, an der Sache sei nichts dran. Da müsse man sich doch Fragen stellen.
"Fragen stellen" - man hört es schon durch: Viele Opfer der Killerbande von Brabant vertrauen den Ermittlern nicht, eigentlich glauben sie ihnen längst nicht mehr. Selbst die Familie von Christiaan Bonkoffsky kann die Schlussfolgerungen der SOKO Killerbande offensichtlich nicht nachvollziehen. In Presseberichten heißt es, die Familie glaube weiterhin, dass ihr Verwandter der Riese war. Jetzt wolle man den Ermittlern neue DNA-Proben übermitteln. Die Tür ist also vielleicht doch noch nicht zu...
Roger Pint