Auf vielen Titelseiten von flämischen Zeitungen prangen in diesen Tagen Bilder aus Gerichtssälen. Flandern schaut im Moment gebannt auf gleich zwei spektakuläre Mordprozesse.
Erstmal der Schlossmord: Im Mittelpunkt steht hier tatsächlich ein junger Schlossherr, der damals 34-jährige Stijn Saelens, der vor fast genau sechs Jahren erstmal spurlos verschwunden war. Seine Frau fand lediglich Blut und eine Patronenhülse in der Eingangshalle des Schlosses in Wingene. Ursprünglich dachte sie noch, ihr Mann sei "nur" entführt worden, wenig später fand man aber seine Leiche.
Der Schwiegervater hat inzwischen gestanden, die Tat in Auftrag gegeben zu haben. Und doch war der Prozess vor dem Strafgericht von Brügge über weite Strecken eine wahre Schlammschlacht - sowohl menschlich, als auch juristisch. Begonnen hatte das Verfahren vor fast einem Jahr, im vergangenen März. Es folgten mehrere Unterbrechungen, unter anderem wegen Befangenheitsanträgen und Klagen auf Formfehler. Jetzt endlich, nachdem der Prozess erneut über drei Monate ausgesetzt war, wurde das Verfahren wiederaufgenommen. Eigentlich sollte es jetzt mit den Plädoyers weitergehen.
Serienmörder
Im Grunde ist das neue Kapitel im Schlossmord aber fast schon untergegangen. Seit Montag richten sich nämlich alle Augen auf das Schwurgericht in Tongeren. Auf der Anklagebank sitzt Renaud Hardy. Der heute 65-Jährige wird als Serienmörder eingestuft.
Nach dem derzeitigen Kenntnisstand hat alles angefangen im Mai 2014: In Mechelen wird die 82-jährige Maria Walschaerts brutal vergewaltigt und getötet. Einige Monate später, im September 2014, entgeht eine weitere Frau nur knapp dem gleichen Schicksal. Im Februar 2015 versucht Renaud Hardy, die flämischen Schauspielerin Veerle Eyckermans umzubringen. Und schließlich vergewaltigt und tötet er seine Ex-Freundin, die 52-jährige Linda Doms. Dieser Fall bringt die Ermittler auf seine Spur. Kurz darauf wird er festgenommen. Und nach und nach können ihm seine verschiedenen Verbrechen nachgewiesen werden, erst nur durch DNA-Spuren.
Renaud Hardy ist in mehrfacher Hinsicht ein besonderer Fall. Erstmal ist es so, dass er an der Parkinson-Krankheit leidet - was er vor allem dann, wenn es in Verhören eng wurde, auch gerne geltend machte. Und auch sein Anwalt hat schon angekündigt, die Krankheit vor Gericht als möglichen mildernden Umstand ins Feld zu führen, da sie das Verhalten seines Mandaten durchaus ein Stück weit erklären könne.
Die große Hardy-Show
Obendrauf zeigt Renaud Hardy aber auch noch klare narzisstische Züge mit einem Hang zur Selbstdarstellung. Beispiel: Als ihn der Richter nach seinem Wohnort fragt, glaubt der Angeklagte, einen blöden Witz platzieren zu müssen. Er wohne jetzt im Hilton in Hasselt. Gemeint ist das Gefängnis...
Die Opferanwälte finden das gar nicht lustig. Doch genauso geht es weiter. Prozessbeobachter sprechen von der großen Hardy-Show. Er antwortet nicht auf die Fragen oder erzählt dem Gericht zusammenhangloses Zeug, wenn er nicht Unsägliches von sich gibt. Eigentlich würde der Mann wohl gerne selbst den Prozess leiten, sagt Opferanwalt Walter Damen. Diverse Male platzt dem vorsitzenden Richter der Kragen. Er ruft den Angeklagten zur Ordnung. Der flippt seinerseits ebenfalls aus und greift auf dem Transfer ins Gefängnis einen Wärter an.
Makaberes Video
Das war aber immer noch nicht alles. Am Mittwoch wurde es dann für alle Beteiligten richtig hart, denn Hardy hat seine letzte Tat gefilmt: die Vergewaltigung und auch den Mord an Linda Doms. "Das sagt schon Einiges über den Angeklagten aus", sagt Opferanwalt Walter Damen. Der Mann ist wohl so eine Art Irrtum der Natur.
Dieses makabre Video ist jedenfalls am Mittwoch im Prozess gezeigt worden. Das habe er in seiner ganzen, langen Karriere auch noch nicht erlebt, sagt Opferanwalt Jef Vermassen. Die Angehörigen der toten Linda Doms wollten sich das nicht antun. Er habe die Bilder gesehen, sagt ihr Anwalt, Jos Vander Velpen. Und schon für ihn sei es unerträglich gewesen. Aber, so formuliert es Opferanwalt Jef Vermassen: "Ein solches Filmdokument ist stärker als jedes Plädoyer. Darüber kann niemand mehr diskutieren".
Roger Pint