Die zuständige Ministerin Valérie De Bue reagierte wohl am heftigsten. Nach der Lektüre des Berichts von Publifin sagte sie: "Ich verstehe absolut nicht, was Publifin sich bei diesem Schreiben gedacht hat. Für mich ist das surrealistisch."
Der ganze Bericht, so die Ministerin, sei ungenügend. Er gäbe keine Antworten auf die Fragen, die an den Aufsichtsrat gestellt worden seien. Der Aufsichtsrat von Publifin habe erklären sollen, welche neue Vision Publifin sich geben wolle, welche wirtschaftliche Ausrichtung? Wie das Management organisiert werden solle, wie die Good Governance, also die gute Unternehmensführung nach dem Skandal sicher gestellt werden könne.
Das Fass den Boden ausgeschlagen habe dann natürlich die Forderung, eine Ausnahme von der Gehaltsobergrenze für Mitarbeiter in öffentlichen Unternehmen zu fordern. Diese Gehaltsobergrenze liegt bei 245.000 Euro brutto im Jahr. Der Publifin-Bericht fragt an, Ausnahmen für die Spitzenmanager von Publifin und der Tochter Nethys zu machen. Laut der Wirtschaftszeitung L'Echo würde das aktuell 23 Manager von Neths betreffen.
Die Interkommunale also auch nach dem Skandal weiter ein Ort, wo man richtig viel Geld machen kann? Die Frage an sich ist ein Skandal, doch damit nicht genug. Der Aufsichtsrat von Publifin, der den Bericht verabschiedet hatte, habe diese Frage gar nicht in den Bericht aufgenommen. "Die Frage ist angesprochen worden, aber wir haben nichts dazu entschieden", so Aufsichtsratsmitglied Marc Hody von Ecolo. Die Passage muss laut Hody nach der Aufsichtsratssitzung in den Bericht hineingekommen sein. Er sei mit der Forderung natürlich nicht einverstanden. Eine Haltung, die auch von anderen Aufsichtsratsmitgliedern eingenommen wird.
Weshalb der CDH-Fraktionschef im wallonischen Parlament, Dimitri Fourny, noch am Donnerstagabend Publifin dazu aufrief, selbst und möglichst schnell für Klarheit zu sorgen, was denn jetzt Sache sei. "Wir verlangen vom Aufsichtsrat, sich innerhalb der nächsten 24 Stunden zu versammeln und seine eindeutig formulierte, schriftlich verfasste und einstimmig angenommene Position dem wallonischen Parlament und der Regierung zu übermitteln."
Tatsächlich war für Freitagnachmittag um 15:00 Uhr dann auch eine Sitzung des Verwaltungsrats einberufen. Und am Freitagvormittag kristallisierte sich auch schon heraus, wer womöglich den Bericht in letzter Minute noch verändert haben könnte. Fabian Culot, MR-Vizepräsident des Aufsichtsrats, erklärte Freitagfrüh in der RTBF, dass nach der Sitzung der Bericht in die Hände des Generalsekretärs von Publifin, Gil Simon, und des Präsidenten des Aufsichtsrats, Paul-Emile Mottard, gelangt sei. Beide sind PS-Politiker. Sie seien für die letzte Abschrift verantwortlich. Der Präsident schicke den Bericht schließlich nach Namur.
Das mag auch der Grund sein, warum sich in den vergangenen Stunden alle auf Mottard einschossen. Die Zeitungen von Sudpresse verkündeten kurz vor 10:00 Uhr, dass CDH, MR und Ecolo wohl den Rücktritt von Mottard fordern. Eine Meldung, die Jenny Baltus-Möres, die ostbelgische MR-Abgeordnete im wallonischen Parlament, dem BRF bestätigte.
Mottard tritt bei Publifin zurück
Die Nachricht kam am Freitag um 17:00 Uhr: Der PS-Politiker Paul-Emile Mottard ist als Aufsichtsratspräsident bei der Lütticher Interkommunalen Publifin zurückgetreten.
MR-Politiker Culot zeigte sich Stunden vorher allerdings noch zurückhaltender. Er sagte: "Es hat augenscheinlich ein Problem im Umfeld von Mottard gegeben. Deshalb ist ja auch die Aufsichtsratssitzung am Freitagnachmittag einberufen worden. Um ihn als Präsidenten anzuhören, um auch Gil Simon anzuhören und zu erfahren, wie wir in so eine Situation gelangen konnten."
De Bue schickt Spezialbeauftragten der Regierung zu Publifin
Ungeachtet des Rücktritts von Mottard will die wallonische Ministerin für lokale Angelegenheiten, die MR-Politikerin Valérie De Bue, einen Spezialbeauftragten der Regierung zu Publifin entsenden. Der Spezialbeauftragte soll den Aufsichtsrat in seiner Arbeit unterstützen, begründete De Bue am Freitagnachmittag ihre Entscheidung.
Der Bericht hätte aufzeigen sollen, wie Publifin sich seine wirtschaftliche Zukunft vorstellt und wie durch eine gute Unternehmensführung Skandale wie der von vor einem Jahr verhindern werden können. Weil der Aufsichtsrat von Publifin das allein nicht geschafft hat, kommt jetzt der Spezialbeauftragte. Er soll dazu beitragen, dass der Aufsichtsrat seine Arbeit vorantreiben, unabhängig vom Druck seitens des Managements Entscheidungen treffen und auch durchsetzen kann. Alle zwei Wochen soll der Spezialbeauftragter der Ministerin Bericht erstatten.
De Bue traf ihre Entscheidung, noch während der Aufsichtsrat von Publifin am Nachmittag in Lüttich tagte. Vom Rücktritt von Mottard als Präsident des Aufsichtsrats wusste sie da noch nichts.
Kay Wagner
Die PTB wird's freuen. Jeder Skandal wie Publifin ist ein Geschenk des Himmels für die PTB. Die PS wird immer unglaubwürdiger.