Gegen Mittag kamen die ersten Eilmeldungen: Groen verlässt Samen. Das Bündnis ist zerbrochen. So richtig überraschend kam die Nachricht nicht mehr. Denn das, was sich in der vergangenen Nacht abgespielt hatte, konnten die Grünen und allen voran ihr Spitzenkandidat, Ex-Parteipräsident und Samen-Kandidat für das Bürgermeisteramt, Wouter Van Besien, nur schwerlich auf sich sitzen lassen.
Aber was war passiert? Tom Meeuws, SP.A-Chef in Antwerpen und bei Samen auf Platz drei der Bündnisliste, hatte eigentlich seinen Rücktritt erklärt. Anlass waren Enthüllungen über angebliche Veruntreuung von Geldern in der Zeit, in der Meeuws Chef der öffentlichen Nahverkehrsgesellschaft De Lijn in Antwerpen gewesen war. Meeuws bestreitet zwar die Veruntreuung von Geldern. Aber da er schon Ende vergangenen Jahres ins Kreuzfeuer der Kritik geraten war, als ihm zu enge Verbindungen zu Bauunternehmern vorgeworfen wurden, reichte er eben seinen Rücktritt ein.
Doch der Antwerpener Parteivorstand der SP.A verweigerte diesen Rücktritt. Meeuws gab dem Drängen der Genossen nach und verkündete spät in der Nacht: "Tatsächlich habe ich heute dem Parteivorstand meinen Rücktritt aus dem Wahlbündnis Samen angeboten. Aber der hat das nicht akzeptiert. Er hat seinem Spitzenkandidaten das volle Vertrauen ausgesprochen."
Damit war klar: Meeuws macht weiter. Daraufhin versammelten sich die Grünen am Mittwochvormittag zu einer Dringlichkeitssitzung. Ergebnis: Groen verlässt Samen und macht alleine Wahlkampf. Meeuws zeigte dafür Verständnis. Am Nachmittag sagte er bei der VRT: "Die Grünen sind jetzt doch auch schwer unter Druck, ich habe Verständnis für ihre Entscheidung. Ich habe ihnen in gewisser Weise Schwierigkeiten bereitet, aber sie bereiten mir jetzt auch Schwierigkeiten. Aber nochmal: Ich nehme ihnen nichts übel."
Worte, die eine Zusammenarbeit auf anderer Basis zwischen Groen und SP.A weiter möglich machen. Beide Parteien könnten daran Interesse haben. Die Grünen schwimmen zurzeit auf einer Sympathie-Welle in Antwerpen. Aber alleine werden sie es nicht schaffen, Wouter Van Besien ins Bürgermeisteramt zu bringen.
Die SP.A muss allerdings schauen, wie sie den neuerlichen Tiefschlag wegsteckt. Meeuws selbst sagt dazu: "Ich fühle mich als Opfer einer anhaltenden persönlichen Kampagne gegen mich. Ich werde alle Mittel in Anspruch nehmen, um das zu beenden. Und dann werden wir mit der SP.A in aller Ruhe schauen, wie wir die Wahlen angehen können."
Die Verleumdungskampagne, wie Meeuws die Vorwürfe gegen ihn nennt, will er jetzt gerichtlich stoppen. Er hat angekündigt, De Lijn verklagen zu wollen, um dann in einem Prozess die Möglichkeit zu haben, die Dinge klarzustellen. Dass überhaupt Meldungen über Veruntreuung von Geldern aus seiner Zeit bei De Lijn jetzt veröffentlicht wurden, wertet SP.A-Chef John Crombez nicht als Zufall. Er vermutet, dass De Lijn Aufsichtsrats-Präsident Marc Descheemaecker die Meldungen bewusst gestreut hat. Descheemaecker gehört der N-VA an. Jede Schwächung von Samen kommt N-VA-Chef Bart De Wever zugute.
Doch gegenüber der VRT gab sich Descheemaecker entrüstet. Er sagte über Crombez: "Seine Behauptung ist vollkommen gegenstandslos. Wenn ich das mit ein bisschen Empathie betrachte, dann sehe ich jemanden, der ratlos ist, und der einen äußeren Sündenbock sucht, um seine eigenen Personalprobleme zu lösen. Das gefällt mir nicht, das finde ich nicht in Ordnung."
Für einen weiteren Kandidaten um das Bürgermeisteramt, den CD&V-Politiker Kris Peeters, sind solche Scharmützel jetzt genau das, was es zu vermeiden gilt. Er sagte als Reaktion auf die Vorfälle bei Samen: "Für mich ist es absolut wichtig, dass es beim Wahlkampf in Antwerpen um Inhalte geht und dass es keine Schlammschlacht wird. Denn darauf können wir genauso gut verzichten wie auf Zahnschmerzen. Auch die Antwerpener Bürger würden das nicht wollen."
Kay Wagner