Die Vorwürfe an Premierminister Charles Michel waren zumeist die altbekannten. Bei der Affäre um die Sudanesen warfen ihm Oppositionspolitiker aller Richtungen vor, die Marionette von Theo Francken zu sein. Außerdem bemängelten sie, dass mit der Erstellung des Berichts zur Klärung über die angeblichen Folterungen der rückgeführten Sudanesen noch gar nicht begonnen worden sei.
Auch beim Thema Energiepakt musste Michel sich wieder anhören, von der Meinung der N-VA abhängig zu sein. Der Groen-Abgeordnet Kristof Calvo forderte Michel auf, eine klare Antwort zu geben, ob der Atomausstieg bis 2025 stattfinden werde. Michel verweigerte eine solche Antwort.
Nach den Debatten sollte über den Misstrauensantrag gegen Francken abgestimmt werden. Der Antrag war kurz davor durch einen Änderungsantrag erweitert worden. Kammerpräsident Siegfried Bracke verteidigte die Hinzufügung des Änderungsantrags als regelgerecht.
Die Opposition aber kochte. Sie vertrat die Auffassung, dass das nicht zulässig sei. Mit der Geschäftsordnung der Kammer in der Hand erwiderte der PTB-Abgeordnete Marco Van Hees: "Sie haben den Artikel 140.4 zitiert. Aber wenn man den Artikel 140.4 liest, steht nicht das da, was Sie behaupten." Und weil Meinung gegen Meinung stand, bat Ahmed Laaouej kurz darauf um eine Unterbrechung der Sitzung und um die Klärung der Streitigkeit im Präsidium.
Das Präsidium entschied dann in der Sitzungspause, dass der N-VA-Antrag durchaus angenommen werden könne, so dass über den Misstrauensantrag letztlich nicht abgestimmt wurde.
In den RTBF-Nachrichten ist am Donnerstagabend ein aus Belgien in sein Heimatland zurückgeschickter Sudanese zu Wort gekommen. Er berichtete am Telefon, dass er nach seiner Rückkehr mehrere Stunden in Gewahrsam genommen worden sei. Er sei zwar nicht körperlich misshandelt worden, aber Vertreter der Behörden hätten Drohungen gegen ihn und seine Familie ausgesprochen. Das Kabinett von Asyl-Staatssekretär Theo Francken wollte sich nicht zu dem Interview äußern. Für eine Bewertung lägen noch nicht genug Informationen vor, hieß es. Theo Francken wird am Freitag im Kabinett von Premierminister Charles Michel erwartet, um über die Affäre um abgeschobene Sudanesen zu sprechen.
kw/rtbf/est