Zug Mons-Tournai: 13 Minuten Verspätung. Zug Mons-Lüttich: 37 Minuten Verspätung. Das sind die nackten Zahlen, die Verspätungen, über die sich die Bahnreisenden am vergangenen Dienstag aufregen durften. Gut sicherlich, dass sie nicht wussten, dass ihr Lokführer bewusst gebummelt hatte. Cédric Grumiaux gab das später offen zu - gegenüber verschiedenen belgischen Medien.
Grund für sein Bummeln: Der Mann will gefeuert werden, weil er schon einen Vertrag als Lokführer bei einem Konkurrenz-Unternehmen der SNCB hat. Ein Vertrag, bei dem er viel mehr verdient als bei der SNCB. Doch die will ihn nicht ziehen lassen. Erst muss Grumiaux die Kündigungsfrist abarbeiten. Und die ist außergewöhnlich lang: ein ganzes Jahr.
Der Lokführer erklärt das wie folgt: "2015 hat die SNCB die Regeln einfach verändert: Die Kündigungsfrist wurde von heute auf morgen von einem Monat auf ein Jahr verlängert. Wir Lokführer sind bei der SNCB die einzigen, die eine Kündigungsfrist von einem Jahr haben."
Mit der drastischen Verlängerung der Kündigungsfrist von einem Monat auf ein Jahr reagierte die SNCB auf Druck durch die Konkurrenz. Denn langsam greift die Liberalisierung des Eisenbahnmarktes, andere Bahnunternehmen sind auf Belgiens schienen immer öfters unterwegs. Diese Konkurrenten brauchen Lokführer. Und die suchen sie auch bei der SNCB.
Der Trumpf der Konkurrenz: Die meisten zahlen besser, deutlich besser. Die Zeitung Het Nieuwsblad zitiert heute einen ehemaligen SNCB-Lokführer, der jetzt bei einem Konkurrenten fährt. Mit 4.000 Euro netto würde er doppelt so viel wie bei der SNCB verdienen. Dazu bekäme er noch einen Firmenwagen, eine Tankkarte, Smartphone und Tablet.
Klar, dass da auch andere Lokführer die SNCB verlassen möchten. Insgesamt sollen es rund zehn Prozent der etwa 3.500 Lokführer der SNCB sein, die lieber bei einem Konkurrenten arbeiten würden. 70 seien es allein in seinem Depot, berichtet Lokführer Grumiaux. Die Bummelaktion von Dienstag habe er alleine entschieden. Die Sicherheit sei immer gewährleistet gewesen, die Kollegen wurden nicht belästigt. Leider - und dafür entschuldige er sich - seien die Passagiere mit Verspätung an ihrem Ziel angekommen. Aber, so Grumiaux, das ist noch ein kleines Übel im Vergleich zu dem, was man sonst noch so als Protest machen könnte.
Bei der SNCB reagiert man noch unentschlossen. Pressesprecher Thierry Ney sagte gegenüber der RTBF: "Wir werden das Gespräch mit dem Lokführer, also mit Grumiaux, suchen, damit er uns erklärt, warum er diese Verspätung provoziert hat. Bezüglich der möglichen Konsequenzen für den Fahrer, das wird eine Sache sein, die bei der SNCB besprochen werden wird."
Und wenn es um die Konsequenzen geht, ist bei der SNCB wohl Fantasie gefragt. Eine Kündigung wäre ja genau das, was Grumiaux erreichen will. Sein Beispiel könnte übrigens bald Schule machen. Anonym sagte gestern ein anderer Lokführer bei der RTBF, dass rund 30 andere SNCB-Lokführer bereit seien, ebenfalls Bummelaktionen zu starten. Weil auch sie die SNCB schnellstmöglich verlassen wollten, die überaus lange Kündigungsfrist von einem Jahr sie daran aber hindere.
Kay Wagner