Jean-Pierre Lutgen, das ist kein anderer als der ältere Bruder des CDH-Präsidenten Benoît Lutgen. Anders als Benoît hat Jean-Pierre nur eine kurze parteipolitische Karriere gemacht und sich schon früh in die Wirtschaftswelt begeben.
Vor zehn Jahren gründete er in Bastogne das Unternehmen Ice Watch, und mit diesem schaffte er den Durchbruch. Die modischen Uhren von Ice Watch mit zum Teil schrillen Design werden in 50 Länder exportiert. Mehr als 20 Millionen Exemplare sollen bereits verkauft worden sein.
Eine Erfolgsstory - als nicht verwunderlich, dass Lutgen Mittwochmorgen im RTBF-Interview auf die Frage, ob die Wallonie ein gutes Land für wirtschaftliche Unternehmungen sei, antwortet: "Die Wallonie, das ist eine Region, wo man als Unternehmer wirklich Sachen bewegen kann. Ich bin das lebende Beispiel dafür."
Viele Trümpfe
Eine Aussage, die mit Blick auf die wirtschaftliche Lage in der Wallonie mit hoher Arbeitslosenzahl dann doch etwas überrascht. Aber Lutgen legt nach und begründet: "Wir haben enorm viele Trümpfe in der Wallonie. Wir liegen im Zentrum von Europa. Wir haben viele gut ausgebildete und gut organisierte Menschen. Wir haben Ingenieure – wir haben alles, um unternehmerisch tätig zu werden. Kurz: mit doch einigen Handicaps haben wir in Belgien die Möglichkeit, sehr gute Dinge zu realisieren."
Doch auch Lutgen sieht natürlich, dass nicht alles rund läuft in der Wallonie. Und er hat auch seine Ideen, warum das so ist. "Was den Wallonen vielleicht manchmal ein bisschen fehlt, ist die Mentalität, etwas auf die Beine stellen zu wollen. Es gibt immer viele Leute, die sagen: Ich möchte etwas machen, ich habe Lust dazu, ich möchte etwas ändern. Ich habe genug von meiner bisherigen Arbeit. Aber viele haben dann auch Angst, tatsächlich den Schritt in die Selbständigkeit zu tun."
Denn natürlich müsse man sich als Unternehmer in der Wallonie mit viel Administration herumschlagen. "Es gibt viele Zwänge", sagt Lutgen. "Der Handlungsspielraum ist doch ziemlich eng. Etwas mehr Flexibilität würde vielleicht einige Menschen mehr dazu veranlassen, unternehmerisch tätig zu werden."
Politik gefragt
Von der Politik wünscht er sich, dass die Steuern für Unternehmen gesenkt werden, und dass in Verkehrswege und das Kommunikationsnetz investiert wird. Außerdem müssten Klüngelei in Verwaltungen und Politik aufhören. Die Beschränkung der politischen Ämter auf zwei Legislaturperioden hält Lutgen für eine gute Maßnahme.
Ein typisch liberal denkender Manager also. Und dieser Esprit drückt sich auch in seiner Haltung zu Rückschlägen aus. Diese seien keine Katastrophe, sondern nötig für den Erfolg. "Rückschläge geben Kraft für die Zukunft. Und es stimmt: In Belgien haben wir diese Mentalität nicht. Wenn man einmal einen Misserfolg erlitten hat, ist man für immer verbannt. In anderen Ländern kann man viel einfacher wieder zurückkommen."
Dass er jetzt zum Manager des Jahres gewählt worden ist und sein Bruder Benoît als CDH-Präsident das vergangene Jahr politisch maßgeblich geprägt hat durch die Aufkündigung der Allianz zwischen CDH und PS, ist für Jean-Pierre eher Zufall. Aber gut gelaunt meint er: "Das ist doch eine ganz gute Bilanz für die Familie. Man muss die Sache einfach nur positiv sehen."
Kay Wagner