Plötzlich wird also wieder über den Atomausstieg diskutiert. Gerade hatten die vier Energieminister des Landes endlich den lang ersehnten Energiepakt ausgehandelt, einen energiepolitischen Fahrplan also. Doch war die Tinte unter dem Dokument noch nicht trocken, da stieg die N-VA mit beiden Füßen auf die Bremse.
So will der N-VA-Vizepremier Jan Jambon das aber nicht verstanden wissen. "Wir blockieren nichts", beteuerte er am Montagmorgen in der RTBF. Es sei nur so: Man sei jetzt mit einem Dokument konfrontiert, dass vier Energieminister ausbaldowert haben. Und da dürfe man doch wohl noch die eine oder andere Frage stellen.
"Einige Fragen stellen", sagt Jambon also, dies unter Berücksichtigung der drei Faktoren, die man im Regierungsabkommen festgehalten hatte, nämlich: Nachhaltigkeit, Strompreis und Versorgungssicherheit. Und weil er noch nicht alle Antworten auf die offenen Fragen bekommen habe, bestehe da eben noch Klärungsbedarf, sagt Jambon.
Der Parteikollege Geert Bourgeois, der flämische Ministerpräsident also, hatte es da am Sonntag doch undiplomatischer formuliert. Ein Energiepakt sollte doch konkrete Engagements beinhalten. Nun, die könne er aber nicht erkennen. Er werde jedenfalls nur seine Unterschrift unter ein Dokument setzen, mit dem er einverstanden ist, das er eben unterschreiben kann.
Strompreis und Versorgungssicherheit
Es sind vor allem zwei Faktoren, die die N-VA zögern lassen, nämlich der Strompreis und die Versorgungssicherheit. Ausformuliert: "Droht nicht 2025, wenn es zu dem geplanten Atomausstieg kommt, eine Preisexplosion? Und haben wir dann überhaupt noch genug Strom?"
Genau diese Fragen treiben auch die Industrie um. Der Unternehmerverband FEB hat in den letzten Monaten keine Gelegenheit ausgelassen, um vor einem undurchdachten Atomausstieg zu warnen. Und am Wochenende meldete sich dann auch der Generaldirektor der Antwerpener Niederlassung des deutschen Chemiekonzerns BASF zu Wort. Dieser Wouter De Geest bezeichnete den angestrebten Atomausstieg in der Zeitung De Tijd als "Katastrophe". Sein Standpunkt, sinngemäß: Strom werde unbezahlbar, und noch dazu drohten Blackouts, könnte also das Licht ausgehen.
Jambon: Erstmal Zahlen sehen
Was die Gefahr steigender Strompreise angeht, so ist Jan Jambon mit den Unternehmern auf einer Wellenlänge. "Wir haben doch nicht die Lohnnebenkosten für die Betriebe gesenkt, um ihnen jetzt über steigende Energiekosten das Geld wieder aus der Tasche zu ziehen", sagte Jambon. Und auch was die Versorgungssicherheit angeht, hat Jambon ähnliche Bedenken wie die Industrie. Dann also mal Butter bei die Fische: Die N-VA ist gegen den Atomausstieg, jedenfalls nach dem derzeitigen Fahrplan, sprich: 2025.
Aber, Stopp, wandte da am Sonntag schon die MR-Energieministerin Marie-Christine Marghem in der VRT ein: Am Atomausstieg 2025 ist nicht zu rütteln. Das ist schließlich ein Gesetz - und Gesetze muss man einhalten.
Er wolle jetzt aber erstmal Zahlen sehen, reagierte Jan Jambon. Wir wollen einen bezifferten Fahrplan. Wir wollen wissen, ob ein Atomausstieg möglich ist, und zwar ohne eine Preisexplosion und ohne, dass die Lichter ausgehen. Und eben diese beiden Punkte, also der Preis und die Versorgungssicherheit, die sind für die N-VA eine Grundbedingung. Notfalls sei man sogar bereit, die zwei jüngsten Reaktoren am Netz zu lassen - das wären Doel 4 und Tihange 3, die beide 1985 in Betrieb genommen wurden.
Roger Pint