Noch vor der Krisensitzung des Kernkabinetts am Donnerstag fasste N-VA Vizepremier Jan Jambon die Bedenken seiner Partei für die Journalisten erneut zusammen: " Man muss uns überzeugen, dass auch ohne die Kernenergie die Energieversorgung zu einem guten Preis gewährleistet sein wird. Aber wir glauben, dass das nicht möglich ist."
Und weil eine Energieversorgung zu guten Preisen laut N-VA nicht möglich ist ohne Kernenergie, soll es weiter mit der Kernenergie gehen. Noch bis 2035 mit mindestens zwei Meilern. So die Ideen der flämischen Nationalisten. Nach der Krisensitzung hörte sich alles schon etwas gemäßigter an. Was war passiert?
Die N-VA auf der einen Seite, und CD&V, OplenVLD und die MR von Premierminister Charles Michel auf der anderen hatten sich auf einen Kompromiss geeinigt. Oder besser gesagt: Auf die Verschiebung der Entscheidung, ob man den Energiepakt als Föderalregierung annehmen wird, oder nicht.
Vier Fragen entscheidend
Entscheidend dafür soll jetzt sein, wie folgende vier Fragen konkret und mit Zahlen belegt beantwortet werden: Erstens: Wie sicher wird die Energieversorgung ohne Atomenergie sein? Zweitens: Welchen Einfluss wird die Energiewende auf die Energiekosten haben? Drittens: Wie sieht es mit der Sicherheit der Infrastruktur aus? Und viertens: Werden die Verpflichtungen aus den internationalen Klimaabkommen erfüllt werden können?
Jambon sagte nach dieser Einigung im Kernkabinett: "Wir wollen davon überzeugt sein, dass der Energiepakt die vier Ziele erfüllen kann, die wir in den vier Kriterien formulieren. Und die Arbeit daran, das Zusammentragen der Zahlen, das wird noch ein paar Wochen dauern."
Was Jambon nicht sagte ist, wie die Ergebnisse dann aussehen müssen, damit die N-VA dem Energiepakt zustimmen wird. Und ihre Zustimmung ist unumgänglich. Denn alle vier an dem Energiepakt beteiligten Regierungen müssen dem Pakt zustimmen.
Die Regionalregierungen von Brüssel und der Wallonie taten das schon am Donnerstag, die Föderalregierung hat eine Entscheidung jetzt erstmal vertagt. Die flämische Regierung, in der die N-VA wie auf föderaler Ebene dominiert, hat sich bislang noch gar nicht mit dem Pakt beschäftigt.
Vertrauen noch nicht vollkommen
Die föderale Energieministerin Marie-Christine Marghem macht derweil gute Miene zum bösen Spiel. Denn das, was die N-VA da gerade aufführt, ist im Grunde ja eine harsche Kritik an ihrer Arbeit. Doch davon will sie nichts hören. Bei der RTBF und in den Zeitungen „Le Soir“ und „La Libre Belgique“ sagt sie selbst:"Die N-VA hat das Recht, Zahlen sehen zu wollen. Ein fehlendes Vertrauen der N-VA in den Energiepakt sehe ich nicht. Das Vertrauen ist halt noch nicht vollkommen". Aber auch nicht negativ. Das sei ein Unterschied.
Auch die quasi öffentliche Desavouierung ihrer Arbeit durch ihren eigenen Chef und Parteifreund Charles Michel trägt Marghem mit Fassung. Michel fand am Donnerstag in der Kammer deutliche Worte für seine Position, aber auch für den Deal, den er mit der N-VA geschlossen hatte.
Zunächst schmetterte Michel ins Plenum: "Am Ausstieg aus der Kernenergie in 2025, an diesem Ziel halte ich mit großer Entschlossenheit fest." Doch dann kam auch: "Die Auswirkungen des Energiepakts auf die Energiepreise für Familien, für die Unternehmen, für die Wettbewerbsfähigkeit und das Schaffen von Arbeitsplätzen, dazu gibt es kein einziges Detail." Tosender Applaus der Koalition.
Für die Opposition ist der Streit natürlich ein gefundenes Fressen. Sie wetterte mit deutlichen Worten Richtung Regierung und vor allem N-VA. Alles natürlich ohne Erfolg. Denn es bleibt dabei: Die Föderalregierung wird erst 2018 über den Energiepakt entscheiden. Und dabei hält die N-VA weiter alle Trümpfe in der Hand.
Kay Wagner