"Verbittert sind wir angesichts dieser Entscheidung", sagte Außenminister Didier Reynders am Donnerstagmorgen in der RTBF. Besagte "Entscheidung", die haben Leitartikler in der belgischen Presse am Donnerstag etwas undiplomatischer auch schon als den "beklopptesten, leichtsinnigsten, unüberlegtesten Beschluss von Donald Trump" angeprangert. In jedem Fall dürfte es wohl eine "folgenschwere" Entscheidung sein. Da sind sich Beobachter einig.
Die USA haben Jerusalem als die offizielle Hauptstadt Israels anerkannt. Das ist ein klarer Bruch mit der amerikanischen Außenpolitik der Nachkriegszeit. Hier geht es um viel mehr als nur Begrifflichkeiten. Der Ostteil Jerusalems war ursprünglich den Palästinensern zugeteilt worden. Im Sechstagekrieg hat Israel das Gebiet aber besetzt - und so ist es bis heute. Was aber nichts daran ändert, dass die Palästinenser nach wie vor den Ostteil als ihre legitime Hauptstadt für einen noch zu schaffenden Staat Palästina betrachten.
"Zu schaffender Staat": Die Rede ist von der ominösen "Zweistaatenlösung", die als Schlüssel gilt für einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. Ergo: Wenn die USA Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen, dann beenden sie damit de facto den Friedensprozess.
"Verbittert" ist man darüber also, in Belgien, im Übrigen auch in vielen anderen EU-Ländern. Dabei habe man noch vor einigen Tagen dem amerikanischen Außenminister Tillerson gegenüber bei einem Besuch in Brüssel ziemlich klar gesagt, dass man das für keine gute Entscheidung halte, sagte Didier Reynders. Es müsse doch jedem klar sein, dass der Status von Jerusalem einzig im Rahmen von Verhandlungen festgelegt werden könne, zumal in einer so komplexen Angelegenheit wie dem Nahostkonflikt, sagt Reynders.
Was die USA jetzt machten, dass sei hingegen eine Vorwegnahme. Hier würden Fakten geschaffen. Zwar beteuere Trump, dass auch ihm an einer friedlichen Lösung gelegen sei. Das gehe aber nur, wenn jetzt schnellstens ein Dialog zwischen beiden Seiten zustande kommt. Einseitige Entscheidungen seien in jedem Fall der falsche Weg.
Reynders ist Chefdiplomat und das hört man auch. Dann, wenn er von "falschen, einseitigen Entscheidungen" spricht. Nun, auf dem Terrain ist es eine lupenreine, scheunentorgroße Provokation. Nicht nur für die Palästinenser, sondern für die arabische Welt insgesamt. Man muss kein berufsmäßiger Unglücksprophet sein, um hier schlimmste Befürchtungen zu haben. Beobachter aller Couleur befürchten einen neuen Palästinenseraufstand - eine dritte Intifada, neue Gewalt, neue Opfer. Genau das befürchtet auch Außenminister Didier Reynders. Wobei, fügt er zynisch hinzu: Eins muss man Trump lassen: Der Mann tut, was er im Wahlkampf versprochen hat.
Was jetzt? Jetzt muss eigentlich die Stunde der Europäer schlagen. Die Amerikaner haben ihre Rolle als Vermittler in dem Konflikt erstmal verspielt. Zumindest aus Sicht der Palästinenser. Jetzt wäre es also an der Zeit, dass sich die EU endlich einschaltet und all ihr Gewicht in die Waagschale legt, um beide Seiten an einen Tisch zu bringen, sagt Reynders.
Und wie geht man in der Zwischenzeit mit den USA um? Mit jedem Tag wird ja deutlicher, dass Trump mit seinem Isolationismus ernst macht, aus internationalen Abkommen aussteigt und die USA von allen internationalen Dialogforen entfernt. Man muss unterscheiden: Auf der einen Seite gibt es die USA als Land, das eben ein historischer Verbündeter und Freund ist. Und dann gibt es eben die Trump-Administration. Und man muss versuchen, auch mit dem jetzigen Weißen Haus den Dialog aufrecht zu erhalten. Denn nur, wenn man miteinander redet, kann man vielleicht auf den jeweils anderen einwirken, so Reynders.
Dialog, das ist also das Zauberwort, glaubt Reynders. Nur hat man im Moment den Eindruck, dass das eben nicht jeder so sieht.
Michel zu Jerusalem-Frage: Belgien verurteilt das Vorgehen Trumps
Premierminister Charles Michel hat die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump scharf verurteilt, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. In der Fragestunde der Kammer sagte Michel am Donnerstag, das Vorgehen Trumps sei nicht mit internationalem Recht konform und gieße Öl ins Feuer.
Die Entscheidung, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, bringe den Nahost-Friedensprozess ernsthaft in Gefahr, so Michel. Er werde beim EU-Gipfel kommende Woche dafür eintreten, dass die Europäische Union eine aktivere Vermittlerrolle im israelisch-palästinensischen Konflikt übernehme. Am Montag wird Israels Premier Netanjahu nach Brüssel kommen, wo er Gast beim EU-Außenministertreffen sein wird. Dieser Besuch war schon seit längerem geplant und hängt nicht mit der jüngsten Entwicklung zusammen. (belga/mh)
Roger Pint/BRF