"Geschichte eines 'Nationalen Flops'", schreibt die Zeitung L'Avenir schon am Mittwoch. Dieser "Nationale Flop", das ist das geplante neue Fußballstadion, das auf dem Heyselgelände entstehen soll. Die Betonung liegt auf "soll", wobei das auch noch eine Frage des Blickwinkels ist...
Also, eins nach dem anderen: Brüssel hat sich beworben, um einer der Austragungsorte bei der EM 2020 zu werden. Anlässlich des 60. Geburtstages der Fußballeuropameisterschaft findet das Turnier nämlich sozusagen "in ganz Europa" statt. Und als "Hauptstadt Europas" hat man da bestimmt gute Chancen.
Da gibt es nur ein Problem: Das König-Baudouin-Stadion, die frühere Heysel-Arena, entspricht eigentlich längst nicht mehr den heutigen Normen. Für Spiele der Fußballnationalmannschaft muss der Verband jedes Mal eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Als Spielstätte für die EM kommt das Stadion - in seinem jetzigen Zustand - definitiv nicht infrage; und renovieren will die Arena auch niemand.
Es sollte also ein neues Stadion entstehen. Die Region Brüssel-Hauptstadt hatte auch einen Standort gefunden: Der so genannte "Parking C" auf dem Brüsseler Heyselgelände, der große Parkplatz also hinter den Expo-Palais. Der Parkplatz gehört der Stadt Brüssel. Nur: Das eigentliche Gelände liegt auf dem Gebiet der Gemeinde Grimbergen, sprich: auf flämischem Boden.
"Eine Stadt, zwei Regionen, ein solcher Mischmasch kann ja nicht gut gehen", unkten Kritiker. Nun, recht hatten sie zumindest, was das Resultat angeht: Die Akte ist hoffnungslos festgefahren. Schon auf der niedrigsten Entscheidungsebene gab's Rotes Licht: Die Gemeinde Grimbergen verweigerte dem Projekt die Genehmigung. Ins Feld geführt wurde da unter anderem ein altes Wegerecht. Doch bei der Provinz Flämisch-Brabant und bei der Flämischen Region gab's wenig Gegenliebe. Kurz und knapp: Von einer Baugenehmigung, die wirklich alle Instanzen durchlaufen hat, ist man im Moment meilenweit entfernt...
Ohne Stadion, keine EM
"Eine Schande", beklagte vor einigen Tagen Alain Courtois, der für die Stadt Brüssel das Stadion-Projekt trägt. Für ihn sei dieses Projekt ein trauriges Symbol, der Beweis, das Belgien nicht mehr funktioniert. Denn: Ohne Stadion, keine EM. Das muss man sich mal vorstellen, sagt Courtois: "49 Städte haben sich für die EM 2020 beworben. 48 haben ein Stadion, nur Brüssel nicht. Und jetzt besteht die Gefahr, dass die EM am Ende ohne Brüssel stattfindet... Wenn das passiert, dann wäre das der Beweis dafür, dass dieses Land kein "nationales Projekt" mehr auf die Beine stellen kann. Das könne man schließlich schon seit der Weltausstellung 1958 beobachten.
"Das sind doch nur Nebelgranaten", erwiderte aber der Groen-Regionalabgeordnete Arnaud Verstraete in der RTBF. Nicht Belgien sei das Problem, sondern die Art und Weise, wie die Brüsseler Verantwortlichen das Stadion-Projekt angegangen seien: "Dilettantisch, amateurhaft"... Nach Informationen der Zeitung Het Laatste Nieuws hat auch Premier Charles Michel schon eben diese Ausdrücke in eben diesem Zusammenhang in den Mund genommen. "Sie wollte das wie früher deixeln", wendet sich der Grüne an den blauen Brüsseler Schöffen. Sie wollten das Projekt im Hinterzimmerchen mit einem Baupromotor ausbaldowern. Nun, so läuft's nicht mehr", sagt Arnaud Verstraete.
Angst vor dem Verkehrsinfarkt
Das Problem, das sind in der Tat die Dimensionen des Stadions. Am flämischen Nordrand hat man unter anderem Angst vor dem endgültigen Verkehrsinfarkt. Dort ist der Ring ohnehin schon überlastet. Das Stadion würde da den Bock definitiv fettmachen. "Auch eine flämische Regierung ohne die N-VA hätte einem solchen Projekt in dieser Form nie zugestimmt", sagen Kritiker.
"Mag ja sein", reagiert wiederum Alain Courtois. "Das löst aber nicht unser Problem: Belgien hat kein Nationales Stadion mehr. Nur zur Info", sagt Courtois, "eine Nationalmannschaft, die darf ihre Heimspiele nicht im Ausland bestreiten".
Am Donnerstag kommt das Führungsgremium des Europäischen Fußballverbandes UEFA zusammen, um über die EM 2020 zu beraten. Dabei wird wohl auch über die Brüsseler Kandidatur entschieden. Es gibt offenbar noch eine Galgenfrist bis Januar. Nur, die Brüsseler Situation sieht so aus: Der Plan A funktioniert nicht - und einen Plan B, den gibt es nicht...
Roger Pint