In Belgien sind die Zeitungen Le Soir und De Tijd sowie das Magazin Knack an dem Konsortium beteiligt. Und die Meldung, die diese Medienhäuser am Mittwoch veröffentlichen, ist besonders brisant: Demnach nutzt sogar der belgische Staat Steueroasen.
Kein Tag ohne neue Enthüllungen. Nach früheren Datenlecks wie den Panama-Papers oder den Offshore-Leaks, jetzt also die Paradise-Papers. 13,4 Millionen Dokumente sind dem internationalen Konsortium von Enthüllungsjournalisten zugespielt worden, fast unglaubliche 1,4 Terabyte an Daten. Und die lesen sich quasi wie das "kleine Handbuch des Steuervermeiders", zeigen bis ins Detail auf, wie Multinationals und Superreiche ihr Geld versteckt haben.
Darunter sind demnach Unternehmen wie Nike, Apple oder Janssen Pharmaceutica, oder auch Persönlichkeiten wie der amerikanische Handelsminister, Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton, U2-Sänger Bono und sogar die Queen.
Die jüngste Schlagzeile ist aber nochmal besonders brisant. "Der belgische Staat nutzt eine Offshore-Firma", liest man mehr oder weniger gleichlautend bei Le Soir, De Tijd und Knack. Hinter diesem einen Satz verbirgt sich dann aber naturgemäß eine doch ziemlich komplexe Geschichte.
Alles beginnt demnach in den 1990er Jahren. In Vietnam soll ein neuer Hafen gebaut werden. Für das Projekt wird eigens eine Gesellschaft auf die Beine gestellt mit dem Namen: InfraAsia Development. Federführend ist das US-Versicherungsunternehmen AIG, das die Antwerpener Firma "Rent-a-Port" mit ins Boot holt. 1999 stößt auch die SBI hinzu, die Belgische Gesellschaft für internationale Investitionen. Mehrheitsaktionär dieser SBI, das ist der belgische Staat, der knapp 64 Prozent der Anteile hält.
Da gibt es nur ein Problem: Diese Gesellschaft InfraAsia Development, die also den Bau des Hafens in Vietnam managen soll und an der die belgische SBI beteiligt ist, diese Firma hat ihren Sitz auf den britischen Jungferninseln, einem allseits bekannten Steuerparadies also.
Ergo, so sagte Alain Lallemand, Journalist der Zeitung Le Soir in der RTBF, ergo: Wir haben hier eine Situation, wo ein Unternehmen, das mehrheitlich in den Händen des Staates ist, an einer Offshore-Firma beteiligt ist. Und dabei ist es auch geblieben:
Seit 1999 investiert Belgien also indirekt in eine Offshore-Firma. Auf den Britischen Jungferninseln. Die stehen sogar auf der belgischen Schwarzen Liste der Steuerparadiese. Und doch hat es niemand in all den Jahren für nötig befunden, die Investitionsgesellschaft SBI wieder aus dieser Konstruktion herauszuholen.
Und das, so sagt Alain Lallemand, das sei umso pikanter, als im Verwaltungsrat der SBI kein geringerer saß als der langjährige Chef der belgischen Steuerverwaltung. Selbst dieser Hans D'Hondt habe offensichtlich nichts dafür getan, diese Offshore-Konstruktion zu verlassen.
Stattdessen hat man das Ganze - sagen wir mal - verschleiert. In der Buchhaltung der SBI wird die Beteiligung an dem Unternehmen InfraAsia Development zwar erwähnt, als Firmensitz wird aber "Vietnam" angegeben. Falsch natürlich. Die britischen Jungferninseln werden jedenfalls mit keiner Silbe erwähnt. Bei der SBI spricht man von einem "bedauerlichen Irrtum" - ob nun Absicht oder nicht, aber das werfe doch Fragen auf, findet der Soir-Journalist Lallemand.
Nicht nur, dass der belgische Staat hier mindestens scheinheilig agiert hat, das Ganze rieche doch nach einem vielleicht noch größeren Skandal, sagt Lallemand. Warum hat man sich wohl für eine Offshore-Konstruktion entschieden? In den 90er Jahren machte man das, um schwarze Kassen führen zu können.
Das Wort "Bestechung" vermeidet Lallemand zunächst, nimmt dann aber doch indirekt in den Mund. Machen wir uns nichts weiß, aber das Vietnam der 90er Jahre war bekanntermaßen durch und durch korrupt.
Eine Investition in einem korrupten Land, und das über eine Offshore-Konstruktion. Und an all dem ist der belgische Staat indirekt beteiligt. Auch ohne eins und eins zusammenzuzählen, klingt das schon -sagen wir- ziemlich "anrüchig". Das wäre in jedem Fall Stoff für eine nähere Untersuchung, meint Alain Lallemand. Journalisten können schließlich nur darstellen, jetzt seien das Parlament oder die Justiz am Zug.
Roger Pint