Begonnen hatte alles am Freitag: Ein Bus mit kurdischen Aktivisten und Anhängern des PKK-Führers Öcalan nimmt eine Abkürzung und landet im mehrheitlich türkisch geprägten Viertel rund um die Brederodestraat. Nach Aussagen der kurdischen Gemeinschaft versperrte dann ein Auto dem Bus den Weg. Wie es scheint, war es eine kleine Gruppe rechtsextremer Türken, die den Bus attackierte. Daraufhin eskalierte die Situation. Hunderte Türken und Kurden gingen mit Stöcken, Steinen und Stühlen aufeinander los. Acht Menschen, darunter ein Polizist, wurden verletzt, 41 Personen festgenommen.
Auch am Samstag ist die Stimmung im Südviertel gereizt. Der Polizei gelingt es aber durch rechtzeitige Präsenz, die Situation unter Kontrolle zu behalten.
Sonntagabend schließlich dann kommt es zu weiteren Ausschreitungen: Eine hundert Mann starke Gruppe gewaltbereiter Türken versammelt sich vor einem kurdischen Café. Wieder bewaffnet mit Stöcken und Stangen. Die alarmierte Polizei wird angegriffen. Es fliegen wieder Gegenstände. Auch Brandbomben. Ein Döner-Imbiss wird kurz und klein geschlagen. Ein Polizeibeamter wird verletzt, drei Personen festgenommen. Schließlich schafft die Polizei es, die Situation einigermaßen zu beruhigen.
Versammlungsverbot
Antwerpens Bürgermeister Bart De Wever (N-VA) verhängt schließlich ein einmonatiges Versammlungsverbot für das ganze Viertel. Elf Gaststätten wird eine Sperrstunde auferlegt.
Den türkisch-kurdischen Konflikt nach Antwerpen zu tragen, einer Stadt mit 175 Nationalitäten, will De Wever nicht zulassen. Und in der Tat: Eines ist allen attackierten Geschäften gemeinsam: Ihre Inhaber werden alle von der türkischen Gemeinschaft verdächtigt, Anhänger der kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein. Nach Ansicht der Türken und ihres Präsidenten Erdoğan eine terroristische Organisation. Der Inhaber des zerstörten Döner-Ladens soll Gerüchten zufolge Waffen besessen haben und diese den Insassen des PKK-Busses am Freitag gegeben haben. Er selbst bestreitet das.
Zeitweise ging sogar das Gerücht um, dass PKK-Anhänger aus den Niederlanden und Deutschland auf dem Weg nach Antwerpen waren. Nach Ansicht einiger Anwohner kamen einige der gewalttätigen Türken nicht aus Antwerpen selbst: "Die waren nicht von hier, die kennt man nicht, die kamen aus anderen Städten, nur um zu provozieren", so Augenzeugen. Die Polizei ist anderer Meinung. Sie geht davon aus, dass ein Großteil der Täter aus Antwerpen kommt.
Die kurdische Gemeinschaft in Antwerpen selbst versichert, dass sie nichts mit der Situation zu tun habe. Sie sieht in den Ausschreitungen einen Konflikt zwischen rechtsextremen und progressiven Türken. Die Brederodestraat gilt eigentlich nicht als heißes Pflaster. 40 Prozent der Einwohner sind türkischer Abstammung. Das Zusammenleben aller funktioniert ganz gut.
Viele sind von der Gewalt schockiert. So wie diese Anwohnerin: "Ich lebe seit 35 Jahren in diesem Viertel, eigentlich ist alles ganz ruhig hier. Ich kenne meine türkischen Nachbarn, die würden eigentlich niemandem etwas zuleide tun. Wenn sie aber gewalttätig sind, dann muss das aufhören!"
Volker Krings