Um zehn Jahre wollte die EU-Kommission die Zulassung von Glyphosat eigentlich verlängern. Doch noch am Dienstag änderte sie ihre Pläne. Kurz zuvor hatte das Europaparlament in Straßburg in einer Stellungnahme gefordert, Glyphosat nicht über das Jahr 2022 hinaus in der EU anzuwenden. Kurzerhand änderte die Kommission ihren Vorschlag, den sie am Mittwoch Vertretern aller 28 Mitgliedstaaten vorlegte. Nämlich: eine Verlängerung der Zulassung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels lediglich um fünf bis sieben Jahre.
Doch auch damit fand sie keine Mehrheit. Bei der täglichen Pressekonferenz der EU-Kommission am Mittag in Brüssel musste eine Sprecherin erklären: Am Ende des Treffens gab es keine Abstimmung. Keine Abstimmung gab es deshalb, weil laut Vorschriften nur einmal abgestimmt werden darf. Sollte keine Mehrheit dabei zustande kommen, gilt die Verlängerung als abgelehnt. Dann würde die Zulassung von Glyphosat Ende des Jahres auslaufen.
Das möchte die Kommission vermeiden. Sie hat keine Probleme mit Glyphosat, schenkt den Studien Glauben, die behaupten, Glyphosat sei nicht gesundheitsschädlich, was vor allem bedeutet: nicht krebserregend. Andere Studien dagegen legen nahe, dass Glyphosat sehr wohl krebserregend sein kann.
Unsicherheit
Es ist genau diese Unsicherheit, die jetzt auch Belgien dazu veranlasst, gegen eine Verlängerung der Glyphosat-Zulassung zu stimmen. So begründete das am Mittwochvormittag Premierminister Charles Michel. "Bei den großen Unsicherheiten und den potentiell weitreichenden Folgen, die die weitere Nutzung von Glyphosat für die Gesundheit der Menschen darstellen kann, ist es ein Gebot der Vernunft, diese Entscheidung zu treffen: nämlich gegen den Vorschlag der EU-Kommission zu stimmen", sagte er.
Unterstützung für diese Haltung findet Michel bei seinem Landwirtschaftsminister Denis Ducarme. "Ich möchte, dass die neusten Erkenntnisse hinsichtlich der Wirkung von Glyphosat auf Natur und Menschen von der Kommission berücksichtigt werden. Zusammen mit einigen anderen Ländern - besonders Frankreich, Italien - wollen wir schneller als andere Länder den Ausstieg aus Glyphosat schaffen", sagt Ducarme.
Frankreich und Italien, aber auch Österreich hatten sich schon lange vor der heutigen Abstimmung offen gegen eine weitere Zulassung von Glyphosat ausgesprochen. In Deutschland blockieren sich das Umweltministerium, das die Verlängerung ablehnt, und das Agrarministerium, das die Verlängerung möchte. Deutschland hätte sich am Mittwoch der Stimme enthalten.
Für eine weitere Zulassung hätten also die Stimmen nicht gereicht. Denn die Kommission muss eine so genannte qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten hinter ihren Vorschlag scharen. Das sind mindestens 16 Staaten, in denen zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bürger wohnen müssen. Doch allein in Deutschland, Frankreich und Italien wohnen zusammen schon mehr als 200 Millionen der gut 500 Millionen EU-Bürger. Die qualifizierte Mehrheit war da von vornherein nicht zu erreichen gewesen.
Wie geht es weiter?
Wie kann es jetzt weitergehen? "Wir werden die Kommission bitten, Vorschläge für ein langsames Auslaufen von Glyphosat vorzulegen. Mit den nötigen Fristen, die das verlangt", sagt Premier Michel dazu. Das ist im Grunde auch das, was das Europaparlament vorschlägt. Ein langsames Auslaufenlassen von Glyphosat.
Das wäre zumindest ein Kompromiss: Die Gegner könnten zufrieden sein, weil Glyphosat in absehbarer Zeit aus der EU verschwinden würde. Die Befürworter von Glyphosat und da vor allem die Landwirte hätten immerhin ein paar Jahre Zeit, sich nach Alternativen zu dem so weit verbreiteten und anscheinend sehr effizienten Pflanzenschutzmittel umzuschauen.
Ob die Kommission für den nächsten Abstimmungsversuch einen solchen Vorschlag ausarbeiten wird, wollte die Kommissionssprecherin heute nicht sagen. Auch nicht, wann mit einem nächsten Abstimmungsversuch zu rechnen sei.
Kay Wagner