Michel steht zu allem, was er macht, und teilt kräftig aus gegen alle Kritiker seiner Politik. Gutes Beispiel dafür war gestern Abend im Fernsehen der RTBF. Da bekam nicht nur die PTB ihr Fett weg, Michel bezeichnete die Kommunisten als "extreme Partei ohne Programm", sondern auch die Gewerkschaften.
Und da besonders die FGTB, die am Dienstag gestreikt hatte: "Die Rolle der Gewerkschaften ist es, die Rechte der Arbeiter zu verteidigen. Und die Rechte der Arbeiter zu verteidigen, das machen wir mit unserer Regierung", sagte er zu FGTB-Generalsekretär Robert Verteneuil.
Arbeiter brauchen Arbeit
Eine steile These, die der Premier da aufstellte. Aber er begründete sie auch. Denn seine Regierung sorge für Arbeit, und Arbeit sei das, was die Arbeiter nun mal am dringlichsten bräuchten. Da hatte auch der Gewerkschaftsführer nichts mehr gegen zu sagen. Das aber wohl auch deshalb, weil Michel in dem leider nur sehr kurzen Dialog, den die beiden in der RTBF führen durften, schnell weiter ging zu anderen Themen, zu anderen Angriffen auf die Gewerkschaften allgemein, und die FGTB im Speziellen.
Eine kleine Rache für den Streik am Dienstag war das. Der Streik scheint Michel ziemlich geärgert zu haben. Der Premier sagte: "Ich bedauere, dass dieser Streik stattgefunden hat. Das war ein rein politischer Streik, weil es eine Regierungserklärung gab. Eine einzige Gewerkschaft hat gestreikt, um die Regierung anzugreifen. Und ganz und gar nicht, um irgendwelche Interessen der Bediensteten oder Arbeiter zu verteidigen. Dadurch wurden völlig ungerechtfertigt all diejenigen bestraft, die sich an diesem Tag fortbewegen mussten.
Und Michel machte weiter, griff die FGTB wegen ihrer politischen Äußerungen an. Dazu hätten Gewerkschaften kein Recht. Er sagte zu Verteneuil: "Wenn ich einen Ihrer Kollegen höre, der für 2019 zu einer Koalitionsbildung zwischen PTB, Grünen und den Sozialisten aufruft, dann verteidigt er meiner Meinung damit nicht die Interessen der Arbeiter, sondern dann macht er natürlich Politik. Und in diesem Fall ist es sehr einfach: Werden Sie Kandidat und lassen Sie sich wählen."
Verteneuil beunruhigt
Das ging dem Gewerkschafter Verteneuil dann doch zu weit. Er konterte. "Diese Äußerung von Michel beunruhigt mich", sagte er. "Denn das, was Sie sagen, würde doch bedeuten, dass Sie wie viele andere Politiker auch der Auffassung sind, dass Politik nur eine Angelegenheit für gewählte Personen ist. Und dass sich die Bevölkerung in der Zeit zwischen zwei Wahlen nicht für die Politik interessieren soll."
Michel wich einer klaren Antwort darauf aus, indem er das seiner Meinung nach vorbildliche Verhalten der liberalen und christlichen Gewerkschaften hervorhob. Die hatten am Dienstag nämlich nicht gestreikt, und das damit begründet, dass alle geplanten Maßnahmen ja mit den Gewerkschaften vorher besprochen worden waren.
So findet das Michel auch gut:"Ich denke", sagte er, "dass man am besten im Gespräch am runden Tisch konstruktiv sein kann. Positiv und nuanciert. Dass man so die Sachen voranbringt. Und nicht nur einfach durch Slogans und Sprüche, die manchmal ziemlich platt sind, und die nur eins zum Ziel haben, nämlich eine Regierung anzugreifen, und nicht die Interessen der Arbeiter zu vertreten."
Das saß schon wieder, doch leider war danach die Zeit zu Ende für den Dialog mit Verteneuil, der überraschend passiv geblieben war und sich fast schon zu wenig aufregte über Michel. Der übrigens vorher nochmal sein Vorhaben begründet hatte, einen Minimaldienst an Streiktagen einzuführen. Und dabei auch sagte: "Es ist doch so: Streikposten hindern Arbeitswillige daran, zu arbeiten. Das ist nicht zu akzeptieren. Ich respektiere das Recht zu streiken. Aber es gibt keinen Grund dafür zu sagen, dass das Recht zu streiken mehr wiegt als die Freiheit, arbeiten zu gehen."
Kay Wagner - Foto: Benoit Doppagne/BELGA