Von den Vorwürfen gegen den Imam der Brüsseler "Großen Moschee", davon wisse er nichts, sagte Salah Echallaoui, der Vorsitzende der Moslemexekutive. Weder, dass der Prediger radikale Inhalte verbreitet habe, noch, dass er eine "Gefahr" darstelle.
Genau das sind die Vorwürfe, die Asylstaatssekretär Theo Francken am Dienstag in den Raum gestellt hat. Besagter Imam der Großen Moschee sei nach Einschätzung der Sicherheitsdienste wegen seiner salafistischen, radikalen Einstellung eine Gefahr für die nationale Sicherheit, sagte Francken. Die Sicherheitsdienste empfehlen, dass man dem Imam die Aufenthaltsgenehmigung entzieht. Und gerade bei solchen Vorwürfen werde er dem natürlich Folge leisten, sagt Francken.
Ein Imam mit einer "radikalen" Einstellung, der sogar eine "Gefahr für die Nationale Sicherheit" darstellen soll - das ist natürlich schon ein ernster Vorwurf. Wie es denn komme, dass die Moslemexekutive das Ganze quasi aus der Zeitung erfahren müsse, wird Salah Echallaoui gefragt. Ganz einfach, sagt der Präsident der Moslemexekutive: "Wir haben keinerlei Kontrolle über die Große Moschee. Sie ist nicht anerkannt, ist damit also nicht an die Moslemexekutive gebunden und entzieht sich damit also sämtlichen Einblicken."
Das gilt freilich nicht nur für die Große Moschee, im Falle dieser Einrichtung ist das aber nur ein zusätzlicher in einer ganzen Reihe von Kritikpunkten. Gerade noch war auch im Untersuchungsausschuss, der die Anschläge vom 22. März ausleuchten soll, harsche Kritik an der Großen Moschee geübt worden - unter anderem, weil sie sich eben nicht in die Karten schauen lässt.
Und für die Kritiker gibt es dafür auch mindestens einen Grund: Die Moschee steht nämlich im Verdacht, radikales Gedankengut zu verbreiten. Darauf im Parlamentsausschuss angesprochen, reagierten die Verantwortlichen mit einer Mischung aus Mauern und Arroganz. Spätestens seither steht das Gotteshaus unter näherer Beobachtung.
Hausherr Saudi-Arabien
Der Umgang mit der Moschee ist allerdings auch für die belgischen Behörden eher heikel, und das hat historische Gründe. 1967 hatte König Baudouin das Gebäude am Brüsseler Cinquantenaire-Park Saudi-Arabien in Erbpacht überlassen. Und seit 1978 ist dort eben diese "Grande Mosquée" angesiedelt. Weil Saudi-Arabien der Hausherr ist, wird dort entsprechend auch der dort dominante Wahhabismus gepredigt, eine sehr konservative und fast salafistische Auslegung des Islam.
Das Problem der "radikalen Ideologie" in der Großen Moschee, das ist also fast schon strukturell bedingt. Deswegen würde so mancher die Einrichtung auch am liebsten vom saudischen Einfluss loskoppeln. Demnach könnte die Moslemexekutive vielleicht sogar die Kontrolle übernehmen. Salah Echallaoui würde da nicht Nein sagen. "Uns fehlt eigentlich noch eine symbolische Einrichtung", sagte er in der RTBF.
Auch der Präsident der Moslemexekutive findet es im Übrigen nicht normal, dass Gotteshäuser in Belgien aus dem Ausland finanziert sind. "Wir wissen doch nicht, inwieweit die Gelder an Bedingungen geknüpft sind", sagt der Präsident der Moslemexekutive.
"Belgischer Islam"
Für die Moslemexekutive gibt es da im Grunde nur einen Königsweg: Wir brauchen einen "belgischen Islam", sagt Salah Echallaoui. "Einen Islam, der sich konsequent in den Rahmen einbettet, in dem die Menschen leben, der also Bezug zur belgischen Gesellschaft hat. Denn wir leben schließlich hier."
Und ein Weg zu einem "belgischen Islam", das wäre eine vereinheitlichte Ausbildung der Imame. Drei Jahre Schulung, etwa in einer Einrichtung, die mit den "Seminaren" im Katholizismus vergleichbar wären. Und diese Ausbildung wäre dann die Grundbedingung, um in einer Moschee in Belgien predigen zu dürfen.
Das ist mehr als nur ein Wunschtraum. Über solche Pläne wird längst diskutiert. Kritisiert wird allerdings, dass man eigentlich schon wieder viel zu lange darüber redet.
Roger Pint - Bild: Eric Lalmand/Belga