Er wolle sich in seinem Namen und im Namen seines Unternehmens entschuldigen, sagte Ryanair-Chef O'Leary. Das sind Töne, die man von dem feurigen und oft auch großspurigen Iren eigentlich nicht gewöhnt ist...
Die Billigfluggesellschaft sorgt allerdings auch schon seit Tagen für ein regelrechtes Chaos. Alles begann mit einer lapidaren Mitteilung am Freitagabend. Demnach würden bis Ende Oktober bis zu 50 Flüge pro Tag gestrichen - das sind bis zu 2.000 insgesamt.
In Belgien ist vor allem der Regionalflughafen in Charleroi betroffen: Insgesamt 204 Flüge fallen hier aus. Am Brüsseler Flughafen in Zaventem sind es rund 90. Die Streichungen betreffen potentiell 55.000 Passagiere.
Hintergrund
Hintergrund ist wohl ein obskurer Konflikt zwischen Ryanair und seinem Personal bzw. dem irischen Staat, wo die Gesellschaft ja ihren Hauptsitz hat. Anscheinend wird das Unternehmen dazu angehalten, die irische Gesetzgebung in Bezug auf die Urlaubsansprüche der Mitarbeiter umzusetzen. Und das hat wohl zur Folge, dass plötzlich nicht mehr ausreichend Piloten bzw. Kabinenpersonal zur Verfügung stehen, um die Flüge abzuwickeln.
Die Streichungen erfolgten jedenfalls mit sofortiger Wirkung. Schon am Samstag wurden erste Verbindungen annulliert. Und so geht das jetzt munter weiter. Inzwischen wurde immerhin eine Liste der annullierten Flüge veröffentlicht.
Die betroffenen Kunden bekommen eine SMS oder eine E-Mail, in denen sie darauf aufmerksam gemacht werden, dass ihr Flug eben nicht stattfindet - das übrigens in bestem Deutsch. Kleiner Ausschnitt: " Wenn Ihr alternativen flug wird voraussichtlich am nächsten tag abreisen, und man hotel Übernachtungen bitte gehen Sie zum flughafen-ticketschalter." Für eine solche Mail müsste man eigentlich schon Schmerzensgeld bekommen...
Entschädigungen
Aber, apropos: Genau hier wird es spannend. Beim Thema Entschädigungen, nämlich. Eine Fluggesellschaft kann nicht einfach so Flüge streichen. Die EU sieht für solche Fälle inzwischen Entschädigungszahlungen vor. Das gelte, wenn ein Flug weniger als zwei Wochen vor Abreise annulliert wird, sagt Julie Frère, Sprecherin der Verbraucherschutzorganisation Test-Achats. Die Entschädigungen sind gestaffelt - je nach Länge des Fluges zwischen 250 und 600 Euro.
Es ist so: Ryanair bietet zwar Umbuchungen an. Nur eben geht der Flug nicht immer am selben Tag. In diesem Fall bekomme der Kunde gegebenenfalls auch die Kosten für das Ticket erstattet, versprach Ryanair-Chef O'Leary. Und dann, so sagt O'Leary, dann gebe es ja auch noch die EU261- Abfindung.
EU261: Hinter diesem kryptischen Kürzel verbirgt sich eben besagte Entschädigung, die die EU-Gesetzgebung vorsieht. Und so beiläufig, wie O'Leary das erwähnt, so beiläufig ist das auch in der Mitteilung an die betroffenen Kunden gehalten. Sie werden in der Mail lediglich darauf hingewiesen, dass es diese Klausel EU261 gibt. Was sich dahinter verbirgt, darüber erfährt der Kunde eigentlich nichts. "Und das geht so nicht", sagt Julie Frère von Test-Achats. Die Airlines seien dazu angehalten, die Kunden klar und deutlich über ihre Rechte zu informieren.
Test-Achat wirft Auge auf Ryanair
Test-Achats will jedenfalls Ryanair in den nächsten Tagen genauestens beobachten - und beim kleinsten Regelverstoß werde man nicht zögern, die Gesellschaft zu verklagen, sagt Julie Frère. Die EU-Kommission hat das Unternehmen ebenfalls gerügt. Die Brüsseler Behörde forderte Ryanair auf, die Kundenrechte zu respektieren.
Und auch ein anderer blickt derzeit mit besonders kritischen Augen auf die irische Fluggesellschaft: der CD&V-Vizepremier Kris Peeters nämlich. Der ist nicht nur Wirtschaftsminister, sondern auch für Verbraucherschutz zuständig. Also, grundsätzlich geht das erstmal gar nicht, sagte Peeters in der VRT. Dass eine Fluggesellschaft mal eben über Nacht zwei Prozent seiner Flüge streicht, und die Kunden da vor vollendete Tatsachen gestellt werden: Unerhört sei das...
Peeters hat Untersuchung angeordnet
Wie Test-Achats fordert auch Kris Peeters in erster Linie, dass die betroffenen Kunden korrekt informiert werden. Und dann müssen selbstverständlich auch diejenigen entschädigt werden, die ein Recht darauf haben. Er habe in jedem Fall eine Untersuchung angeordnet. Und, sollte sich herausstellen, dass Ryanair gegen geltendes Recht verstoßen hat, behalte man sich rechtliche Schritte vor.
Wenn Ryanair vielleicht auch nicht transparent kommuniziert, Michael O'Leary hat zumindest signalisiert, dass er den Kunden keine Steine in den Weg legen will. Ryanair werde keine "außergewöhnliche Umstände" geltend machen, um zu versuchen, sich der Entschädigung zu entziehen, versprach O'Leary und fügt hinzu: "Das Ganze ist schließlich auf unseren Mist gewachsen".
Einen Überblick über die gestrichenen Flüge gibt es auf der Webseite von Ryanair.
Roger Pint - Bild: Virginie Lefour/BELGA