Eine Entscheidung hatte Laurette Onkelinx durchaus angekündigt. Mitte August sagte sie, dass sie künftig nur noch ein Amt ausführen wolle. Welches das sei, ob PS-Fraktionsvorsitzende in der Kammer oder Präsidentin der Brüsseler PS, das wolle sie in ein paar Wochen bekanntgeben.
Diese Entscheidung also erwarteten die Journalisten am Mittwoch. Doch dann die Überraschung: Onkelinx kündigte ihren Rücktritt an. "In absehbarer Zeit, spätestens aber mit Ablauf meines Mandats als Abgeordnete, werde ich mich aus dem aktiven Politikleben zurückziehen", sagte Onkelinx.
Schon länger habe sie sich mit den Gedanken beschäftigt, sich aus der Politik zurückzuziehen. Dabei sei sie zu dem Entschluss gekommen, dass es langsam an der Zeit sei, den Staffelstab weiterzureichen, so Onkelinx. Die politischen Ereignisse der vergangenen Monate, die zerbrochene Demokratie, wie Joëlle Milquet das so schön ausgedrückt habe, hätten den Prozess dann beschleunigt.
"Platz machen für die jungen Leute"
Onkelinx Rückzug also eine Konsequenz aus den Skandalen um Publifin und das Samusocial? Vielleicht auch die Einsicht, dass mit ihr nach diesen Skandalen ein glaubwürdiger Neuanfang für die PS kaum möglich sein wird? Sie, die parteiintern seit Ende der 1990er Jahre als die Nummer zwei gilt, neben Elio Di Rupo, jahrelang das Gesicht der PS war? Und damit auch für all das steht, was die Wähler dazu bringt, sich immer mehr von der PS abzuwenden?
Wahrscheinlich, dass auch diese Einsicht eine Rolle gespielt hat, und nicht nur die eigene Lust, ein neues, letztes Kapitel in ihrem Berufsleben aufzuschlagen, wie Onkelinx zunächst vorgab. Denn die studierte Juristin sagte auch: "Jetzt heißt es Platz machen für die jungen Leute. Ich glaube, die Politik braucht neue Gesichter, die für neue Begeisterung und neue Hoffnung stehen."
Für 2019 kündigt sich damit also eine Zensur bei der PS an. Dann läuft nämlich auch die Amtszeit von Parteipräsident Elio Di Rupo aus. Es gilt als sehr unwahrscheinlich, dass der 66-Jährige sich dann noch einmal um das Präsidentenamt bewirbt. Und auch Onkelinx wird dann ja aufhören. Spätestens dann.
Doch bis dahin hat sie noch ein klares Ziel: Die Brüsseler PS gut in Stellung zu bringen für die Wahlen 2018 und 2019. "Das wird die letzte Schlacht meines politischen Lebens sein", kündigte Onkelinx an.
Viel Wertschätzung
Die überraschende Ankündigung der PS-Spitzenpolitikerin Laurette Onkelinx, sich spätestens nach den Wahlen 2019 aus dem politischen Leben zurückzuziehen, hat parteiübergreifend für viel Anerkennung gesorgt.
PS-Präsident Elio Di Rupo hat mit Worten der Wertschätzung auf den angekündigten Rückzug von Laurette Onkelinx aus der Politik reagiert. Er teilte mit, ihre Entscheidung zu respektieren und schrieb auf Twitter: "Laurette ist eine Freundin mit einem großen Herzen und war eine Ministerin von außerordentlicher Qualität." Er freue sich, dass sie der Partei noch bis zu den Föderalwahlen 2019 mit Rat und Tat zur Seite stehe.
Auch andere Politiker zollten Onkelinx sowohl für ihr politisches als auch menschliches Auftreten viel Respekt. Die Reaktionen aus der Politikwelt ließen fast vergessen, dass Onkelinx vielleicht erst in zwei Jahren die politische Bühne verlassen will.
Von einer "großen Staatsfrau, die viel für Belgien und die Sozialpolitik geleistet habe", sprach die CDH-Politikerin Joëlle Milquet. "Sie wird mir fehlen", twitterte Kammerpräsident Siegfried Bracke von der N-VA.
Daneben auch viel Respekt für Onkelinx Aussage, mit ihrem Abgang Platz für Jüngere schaffen zu wollen. "Das ist ein starkes Zeichen, seinen Platz Jüngeren zu überlassen", bewunderte die SP.A-Fraktionsvorsitzende in der Kammer, Meryame Kitir, die "mutige Entscheidung". "Es ist richtig, zu gehen, wenn man das Gefühl hat, nicht mehr auf dem richtigen Platz zu sein", kommentierte Ecolo-Co-Präsidentin Zakia Khattabi.
"Ich bin überrascht, aber respektiere ihre Entscheidung", twitterte Défi-Präsident Olivier Maingain. Ein Satz, der die Gefühlslage der belgischen Politiklandschaft zum angekündigten Rücktritt Onkelinx‘ ziemlich passend zusammenfasst.
Kay Wagner - Bild: Laurie Dieffembacq/BELGA